Leseprobe
Kapitel 2
Colonel Bennetts Regiment
Robert blieb noch zehn Tage nach Neujahr in Topeka, dann machte er sich auf den Weg nach Fort Randall, wo sein Vater und seine Geschwister auf ihn warteten. Tom hatte noch länger Urlaub und würde Anfang Februar nachkommen. Als Robert am 15. Januar 1861 nach Fort Randall zurückkehrte, glaubte er, diese zehn Tage müssten für immer einen besonderen Platz in seiner Erinnerung haben. Ganz besonders die wundervolle Schlittenfahrt mit Susan … Ihm wurde noch ganz warm, wenn er daran dachte.
Die Armeekalesche, die ihn von der Postkutschenstation abgeholt hatte, passierte das Tor und stoppte dann so hart, dass der junge Mann aus seinen Träumen gerissen wurde. Er stieg steifbeinig aus und ließ sich vom Fahrer sein weniges Gepäck heruntergeben. Die Tür des Kommandantenbüros öffnete sich und Lieutenant-Colonel Frederick Bennett trat heraus. Er blinzelte in die ebenso strahlende wie tief stehende Wintersonne. Robert war versucht, sofort zu ihm hinzustürzen und ihn zu begrüßen, wie es sich für einen Sohn gehörte, der nach vier Jahren Abwesenheit heimkehrte, aber er besann sich rechtzeitig. Er war in Uniform, betrachtete sich also als im Dienst befindlich und hatte sich entsprechend zu verhalten. Sein Vater war Soldat vom Scheitel bis zur Sohle und erwartete von einem Soldaten ein militärisches Verhalten. Es war jetzt nachmittags kurz nach drei Uhr, also noch Dienstzeit. Robert winkte einen Soldaten herbei, drückte ihm seine Tasche in die Hand und ging dann zur Kommandantur. Unten an der zweistufigen Treppe blieb er stehen, stand stramm und salutierte, wie man es ihm auf West Point beigebracht hatte.
„Second-Lieutenant Robert Bennett meldet sich zum Dienst, Sir!“
„Danke, Lieutenant Bennett. Melden Sie sich beim Quartermaster Sergeant. Er wir Ihnen Ihr Quartier zuweisen. Ich erwarte Sie zur Eintragung in die Regimentsstammrolle um vier Uhr. Wegtreten!“, antwortete Frederick Bennett im selben militärischen Tonfall. Robert salutierte erneut, sein Vater erwiderte den Gruß. Der Lieutenant drehte auf dem Absatz um und marschierte zu dem Soldaten zurück, der mit seiner Tasche erwartungsvoll neben der Kutsche stand.
„Trooper, begleiten Sie mich zum Quartermaster Sergeant!“, forderte Robert den Mann auf.
„Ja, Sir! Darf ich vorangehen, Sir?“
Robert sagte nichts, sondern machte nur eine auffordernde Handbewegung.
„Soll ich, Sir?“
„Ja, Trooper, nun gehen Sie schon!“
Der Trooper ging voraus und brachte den Lieutenant zu einem am nördlichen Wehrgang gelegenen Blockhaus. An der Tür war ein Holzschild angebracht, auf dem in weißen Buchstaben Quartermaster Sergeant geschrieben stand. Der Trooper klopfte an und öffnete die Tür, ohne eine Antwort abzuwarten.
„Sir, der neue Lieutenant ist da“, meldete er Robert an.
„Danke, Elliot“, kam es von drinnen. Elliot machte eine einladende Handbewegung und Robert trat ein.
„Second-Lieutenant Robert Bennett meldet sich zum Dienst und möchte sein Quartier beziehen“, sagte er.
„Willkommen, Sir. Ich bin Quartermaster Sergeant Van Dyke. Das ist Trooper Elliot. Ich habe eine gute Stube für Sie reserviert. Elliot wird Ihr Gepäck gleich ‘rüberbringen. Sie haben Stube fünfzehn, direkt neben Ihrem Bruder, Sir. Wenn Sie einen Burschen brauchen, empfehle ich Trooper Elliot, Sir.“
Van Dyke reichte Robert den Stubenschlüssel.
„Danke, Mr. Van Dyke. Ich werde mich zunächst einrichten. Wie ist die allgemeine Lage hier?“
„Ich denke, Sir, der Colonel sollte Sie in die allgemeine Lage einweisen. Es steht mir nicht zu, Offiziere einzuweisen, Sir.“
Robert nahm die Worte des Sergeants mit einem Kopfnicken zur Kenntnis.
„Bringen Sie mich bitte in mein Quartier, Mr. Elliot“, sagte er zu dem Trooper und verließ die Quartiermeisterei mit einem freundlich-lässigen Gruß, den der Sergeant zackig erwiderte.
„Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben dürfte, Sir …?“, setzte Elliot an, als sie über den Exerzierplatz gingen.
„Ja?“.
„Sie haben wenig Gepäck, Sir. Second-Lieutenant Gordon hatte wesentlich mehr, Sir.“
„Second-Lieutenant Gordon benötigt eine Menge Zivilkleidung, wenn er sich in Omaha amüsieren will. Ich besitze praktisch keine Zivilkleidung“, gab Robert zurück.
„Wollen Sie sich in Uniform amüsieren, Sir? Ich würde davon abraten. Die Spielhöllenbesitzer in Omaha mögen keine Uniformierten im Lokal.“
„Stört mich nicht weiter. Ich neige nicht dazu, mich abendlich zu beschlucken.“
„Sie kennen Lieutenant Gordons Gewohnheiten, Sir?“
„Ich kenne ihn von der Schule.“
Elliot öffnete die Tür zu Roberts neuer Stube und stellte die Tasche auf dem Bett ab.
„Ich heize gleich ein, Sir“, versprach er dann und wollte gehen.
„Sind Kohlen, Anzünder und Spanholz vorhanden, Mr. Elliot?“
„Ja, Sir.“
„Danke, Sie können gehen. Ich heize selbst ein.“
„Aber, Sir, ich …“
„Schon gut, Mr. Elliot. Ich habe in den letzten vier Jahren auch selbst geheizt.“
„Sir, Sie sind jetzt Offizier“, erinnerte der Trooper erschrocken.
„Offizier, aber kein König“, erwiderte Robert grinsend. „Ich werde Sie noch häufig genug brauchen, Elliot, aber Sklavenarbeiten brauchen Sie für mich nicht zu tun.“
„Danke, Sir. Wann soll ich mich wieder bei Ihnen melden?“
„Wo finde ich Sie, falls ich Sie brauche?“, fragte Robert ohne auf die Frage einzugehen.
„Mein Quartier ist in der dritten Mannschaftsbaracke, Sir.“
„Danke, Mr. Elliot. Sie können gehen.“
Elliot salutierte zackig, machte eine vorschriftsmäßige Kehrtwendung und schloss hinter sich die Tür.
Bennett packte seine wenigen Sachen aus und verstaute sie in einem Schrank, der der vierfachen Menge von Kleidung Platz geboten hätte. Zurzeit besaß er nur einen Uniformrock, den Wintermantel mit der großen Pelerine, zwei Hosen, zwei Hemden, zwei Paar Strümpfe, zwei Sätze Unterwäsche und ein Paar Stiefel.
Zu guter Letzt nahm er ein kleines Ledersäckchen aus der Tasche, von dem er sich schon seit Jahren nicht mehr trennte. Es enthielt eine Kräutermischung, die Zwei Schlangen, der Medizinmann der Assiniboins, hergestellt hatte. Die Assiniboins waren ein Prärieindianerstamm, mit dessen Häuptling Gelbe Wolke Robert gut befreundet war. Die Freundschaft reichte weit zurück in ihre gemeinsame Kinderzeit, als Robert dem jungen Indianer einmal das Leben gerettet hatte. So sehr die Assiniboins die Weißen allgemein hassten – und die weißen Soldaten unter Lieutenant-Colonel Bennett im Besonderen – so sehr mochten sie den jüngeren Sohn des Häuptlings der Blauröcke, wie sie Bennett senior nannten. Robert hatte ihre Sprache gelernt, hatte viel Zeit bei ihnen verbracht, konnte Spuren lesen wie ein Trapper und hatte gelernt, dass man von einem Büffel nichts übrig lassen brauchte, weil alles in irgendeiner Form verwendbar war.
Nachdenklich sah er auf das kleine Säckchen, das ihm schon manch guten Dienst erwiesen hatte. Die Kräuter waren ein wahres Wundermittel gegen Entzündungen. Im Laufe der letzten vier Jahre auf der Akademie hatte er sich häufiger einen Kräutertee machen müssen, wenn er beim Fechten oder Boxen Verletzungen gehabt hatte. Der Inhalt war bedrohlich knapp geworden. Aber Robert konnte nur vage hoffen, seinen Freund besuchen zu können. Bevor er auf die Akademie gegangen war, hatte er wohl der familiären, aber nicht der militärischen Befehlsgewalt seines Vaters unterstanden. Nun war er Soldat und hatte seinem Vorgesetzten zu gehorchen. Früher hatte er eine Woche Hausarrest bekommen, wenn er verbotenerweise seine indianischen Freunde besucht hatte, jetzt würde es mit einem Disziplinarverfahren enden, wenn er wieder Kontakt zu Gelbe Wolke suchte. Mit einem Seufzer packte Robert das Säckchen in den Schrank und sah auf die Uhr. Es war kurz vor vier und sein Vater hasste Unpünktlichkeit.
Der Posten vor dem Amtszimmer des Lieutenant-Colonels riss die Tür mit zackigem Salut auf und Robert trat ein.
„Second-Lieutenant Robert Bennett meldet sich zur Stelle, Sir!“, sagte er, stand stramm und salutierte. Frederick Bennett stand von seinem Schreibtischsessel auf und trat zu seinem jüngeren Sohn.
„Ich benötige Ihr Offizierspatent, Second-Lieutenant Bennett“, erwiderte er. Robert griff in die Jacke, nahm die Urkunde heraus und gab sie seinem Vater.
„Meine Beförderung zum Second-Lieutenant, Sir!“
Frederick kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und nahm einen Folianten heraus, in den er eine Eintragung machte. Dann schob er Robert die Urkunde wieder zurück.
„Letztes Zeugnis der Akademie?“
„Verzeihung, Sir, aber das Abgangszeugnis ist nicht Bestandteil der Personalunterlagen.“
Frederick Bennett lächelte zum ersten Mal, seit sein Sohn sich bei ihm vorgestellt hatte.
„Weiß ich, mein Junge, aber dein Vater wird doch hoffentlich erfahren dürfen, wie sein Sohn die Schule beendet hat“, erwiderte er beinahe sanftmütig.
„Ich hab’ s drüben, Pa. Soll ich es holen, oder willst du mir erst meine Aufgabe vorstellen?“, antwortete der junge Mann im gleichen vertraulichen Ton.
„Second-Lieutenant Bennett!“, herrschte Frederick seinen Sohn an. „Sie sind im Dienst! Solche Respektlosigkeiten dulde ich nicht!“
Robert stand augenblicklich wieder stramm.
„Dann ersuche ich Sie, Sir, das Dienstreglement ebenfalls einzuhalten und private Dinge auf die dienstfreie Zeit zu verschieben!“, gab er zurück. Bennett senior knurrte unwillig. Der Junge hatte auch noch Recht!
„Kommen wir zu Ihren künftigen Aufgaben, Lieutenant. Sie übernehmen den ersten Zug der Schwadron C unter dem Kommando von Captain Barry Bruce. Das heißt, sofern die entsprechenden Rekruten dafür gefunden sind. Mein Regiment besteht zurzeit nämlich nur aus den Schwadronen A und B“, erklärte Lieutenant-Colonel Bennett. Er sah Robert prüfend an.
„Und ich erwarte, dass diese Schwadron C die beste Schwadron wird, die dieses Land jemals gesehen hat! Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Lieutenant Bennett?“
„Ja, Sir!“
„Es werden Frischlinge sein, die nicht wissen, wo bei einem Gewehr vorn und hinten ist, die keine Ahnung haben, wie man ein Pferd besteigt, geschweige denn, wie man es sattelt. Außerdem wird es Ihre Aufgabe sein, Pferde für das Regiment einzukaufen. Quartermaster Sergeant Van Dyke wird Ihnen über den Jahresetat für solche Anschaffungen Auskunft geben. Bevor ich Ihnen weitere Aufgaben zuteile, warte ich die weitere Entwicklung sowohl des Regimentes als auch Ihrer Befähigung ab. Ich sehe, Sie haben noch die dunkelblaue Uniformhose. Beschaffen Sie sich beim Zeugmeister umgehend die vorschriftsmäßigen neuen himmelblauen Hosen und die erforderlichen Regimentsabzeichen. Ich erwarte Sie heute Abend um sechs Uhr zum Privatdinner in neuer Uniform, Second-Lieutenant Bennett. Und mit Ihrem Abgangszeugnis. Verstanden?“
„Ja, Sir!“
„Wegtreten!“
Robert salutierte und verließ die Kommandantur.
Wie befohlen, suchte er zunächst den Zeugmeister auf, der ihm die neuen Hosen gab. Sergeant Quaid kannte Robert schon, seit er ein kleiner Junge gewesen war. Entsprechend ungezwungen war ihr Umgang miteinander.
„Gott, was bin ich froh, dass sie dich auf der Akademie nicht so verbogen haben wie deinen Vater, Bob. Als du hier eben ‘reinkamst, habe ich fast ‘nen Herzanfall bekommen, so militärisch hast du ausgesehen“, seufzte Sergeant Quaid erleichtert, als Robert alles andere als militärisch grob seine vorschriftsmäßigen Hosen erbeten hatte.
„Jeff, wir kennen uns zu lange und duzen uns zu lange, als dass ich dir gegenüber den Vorgesetzten herauskehren könnte. Außerdem war in diesem Fort eigentlich noch nie ein zu stark militärischer Ton an der Tagesordnung. Jedenfalls nicht unter den Soldaten, wenn mein Vater nicht in der Nähe war. Was ist eigentlich mit Philip? Ich habe ihn den ganzen Tag noch nicht gesehen“, erwiderte Robert freundlich lächelnd. Es war dieses Lächeln, das den jungen Mann deutlich von seinem Vater unterschied.
„Dein Bruder und dein Vater liegen wieder mal im Dauerclinch. Vorgestern hat Euer Vater Phil zur Strafe auf eine Dreitagespatrouille geschickt. Er müsste heute Abend zurück sein.“
„Sag’ Jeff: Seit wann ist Barry Captain? Als ich auf die Akademie ging, war er noch Sergeant und hatte nicht die Absicht, Offizier zu werden.“
„Barry ist dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind. In den letzten vier Jahren ist hier der Teufel los gewesen. Du warst der Einzige, der die Sprache der Assiniboins konnte – außer Barry Bruce. Dein Vater brauchte einen Dolmetscher, als er mit Gelbe Wolke verhandeln musste, weil der die Einhaltung der von seinem Vater Roter Bison geschlossenen Verträge einforderte, und dein Vater extra jemanden aus Washington kommen ließ, um die Verhandlungen zu führen. Der Politiker wollte aber nur mit einem Offizier zu den Roten, keinesfalls mit einem simplen Sergeant. Also bekam Barry die gelben Schulterspangen angeheftet und war damit Lieutenant. Er fühlt sich nicht besonders wohl in der Rolle. Jetzt soll er auch noch eine Schwadron übernehmen. Aber Barry ist nicht so wie du oder Philip. Euch beide würde ich für die geborenen Offiziere halten, auch wenn Phil das selbst nicht glaubt. Nein, Barry ist damit nicht glücklich.“
„Warum steigt er dann nicht aus?“
„Dasselbe Problem wie bei Philip. Dein Vater unterschreibt kein Abschiedsgesuch. Außerdem ist bei Barry der Nachteil, dass er seine Dienstzeit als Offizier noch nicht erfüllt hat. Du weißt: Drei Jahre mindestens. Und er hat erst zwei hinter sich.“
„Daddy hat mich Barry als Zugführer zugeordnet.“
„Warst du schon bei ihm?“
„Nein. Wo finde ich den Knaben?“
„Stube sechzehn. Ich denke, er wäre glücklich, wenn du tatsächlich sein Lieutenant wirst. Aber eines garantiere ich dir, mein Junge: Die Schwadron hast du am Hals! Barry wird sicher dich vorschieben.“
„Macht nichts. Ich hab’s gelernt, Jeff. Oh, bevor ich das vergesse: Beschaff’ mir für den Sommer blaue Hemden mit Plastron. In den dicken Jacken hält man’ s nicht aus.“
„Wird ‘ne Weile dauern, Bobby. Aber zu Ostern habe ich sie hoffentlich da. Du weißt, dass du die selbst bezahlen musst?“
Robert nickte nur und verließ die Zeugmeisterei. Es war bereits dunkel geworden, aber im Schein einiger Lampen erkannte Robert etwa zehn Reiter, die gerade das Tor passierten. Er blieb stehen und wartete in der Nähe der Kommandantur, erkannte in dem führenden Offizier seinen Bruder Philip. Noch bevor Robert aus dem Schatten treten konnte, tat sich die Tür der Kommandantur auf und der Lieutenant-Colonel kam heraus.
„First-Lieutenant Bennett zurück von Patrouille. Keine besonderen Vorkommnisse, Sir!“
„Danke, Lieutenant. Führen Sie die Leute in die Quartiere und erstatten Sie mir genauen Bericht.“
„Wenn Schnee, Schnee und nochmals Schnee einen Bericht hergeben würden, würde ich einen schreiben, Sir“, gab Philip zurück. „Es gibt nichts zu berichten.“
„Dann werden Sie genau das berichten, Lieutenant!“, grunzte Frederick. „Die Disziplin wird nicht versäumt! Ich erwarte Sie um sechs Uhr zum Privatdinner – in Uniform!“
„Zum Privatdinner in Uniform!“, knurrte Roberts Bruder bitter.
„Sie haben etwas vergessen, Lieutenant!“, stoppte Bennett senior seinen älteren Sohn. Philip drehte sich um.
„Sir?“
„Wenn Sie mit Ihrem Vorgesetzten sprechen, Lieutenant, haben Sie die Rede mit Sir zu beenden. Das nächste Mal gibt es dafür Arrest, verstanden, Lieutenant?“
„Ja, Sir!“
„Wegtreten!“
„Danke, Sir!“
Robert fühlte sich plötzlich an der Schulter angetippt und drehte sich erschrocken um.
„Neugierig, Lieutenant?“, fragte ihn eine tief vermummte Gestalt, die offensichtlich einen Offiziersmantel trug. In der Dunkelheit war die Stärke der schwarzen Schnüre auf dem dunkelblauen Stoff, die den Dienstgrad markierten, nicht zu erkennen.
„Wer sind Sie, Sir?“, fragte Robert mit erzwungener Kühle.
„Unerheblich. Warum grüßen Sie nicht, Lieutenant?“
„Weil ich nur bei zweifelsfrei höherem Rang zum Gruß verpflichtet bin, Sir. Also, mit wem habe ich das Vergnügen?“
Aus dem Mantel schälte sich Ronald Gordon, Roberts Schulkollege.
„Schade, du bist nicht ins Bockshorn zu jagen. Woher nimmst du bloß diese Abgebrühtheit her?“
„Daher, dass ich das Reglement im Gegensatz zu dir seit Kindertagen beten kann.“
„Wie lange lauschst du schon?“
„Lange genug, um zu wissen, dass mein Vater immer grimmiger wird. Er war schon immer ein Reglementsfanatiker.“
„Mit dem Alten ist nicht gut Kirschen essen. Wenn er so weitermacht, geht Philip eher stiften, als dass er länger als unbedingt nötig hier bleibt“, orakelte Ronald.
„So schlimm?“
„Noch schlimmer! Philip wollte sich wegversetzen lassen, um von einer anderen Einheit seinen Abschied zu nehmen. Dein Vater gibt ihn einfach nicht frei.“
Schlag sechs erschien Robert zum Abendessen. Sein Vater und seine jüngere Schwester Elizabeth, genannt Betty, saßen bereits am Tisch. Frederick Bennett zog die Taschenuhr und warf einen vorwurfsvollen Blick darauf.
„Gerade noch pünktlich!“, knurrte er.
„Guten Abend, Paps. Du hattest gesagt, dass ich um sechs zum Privatdinner kommen soll, und ich bin pünktlich da. Was grämst du dich?“, erwiderte Robert ruhig. Er trat zum Tisch und nahm Bettys Hand.
„Grüß dich, Betty. Du siehst süß aus. Tom wäre begeistert.“
Er gab ihr einen brüderlichen Kuss. Betty umarmte ihn.
„Bobby, endlich bist du wieder da! Kommt Tom auch?“, fragte sie mit leuchtenden Augen.
„Er hat noch Urlaub und kommt in etwa zwei Wochen“, erwiderte Robert. „Hier, das hat er mir für dich mitgegeben. Kleines Weihnachtsgeschenk.“
Er zog aus der Hosentasche ein schwarzes Kästchen und überreichte es Betty. Sie öffnete es und fand eine kleine Opalbrosche.
„Vater, sieh nur, was Tommy mir schickt!“
Frederick Bennett warf einen flüchtigen Blick auf die Brosche.
„Tand!“, grunzte er unfreundlich.
„Daddy, was ist eigentlich los mit dir? Hast du Schmerzen im Bein oder welche Laus ist dir über die Leber gekrochen? Du benimmst dich wie die Axt im Wald“, wies Robert seinen Vater zurecht. Doch Frederick Bennett antwortete nicht, sondern polterte gleich drauflos:
„Philip, ich hatte dich in Uniform her befohlen! Wie kannst du es wagen dich dem Befehl zu widersetzen? Außerdem bist du drei Minuten zu spät!“
Philip stand in der Tür und trug einen zivilen Anzug, der offensichtlich maßgeschneidert war und wie angegossen saß. Philip hakte die Daumen in die Uhrtaschen seiner grauen Weste und maß seinen Vater mit einem abschätzenden Blick.
„Du hast mich zum privaten Dinner gebeten, Pa. Es ist nach sechs Uhr, ich bin nicht mehr im Dienst, also bin ich nicht verpflichtet, Uniform zu tragen. Du bist jetzt mein Vater, nicht mehr mein Vorgesetzter. Und von meinem Vater lasse ich mir als Volljähriger nicht vorschreiben, was ich anzuziehen habe, insbesondere dann nicht, wenn meine Kleidung dem Anlass durchaus angemessen ist!“, gab Philip kalt zurück. Robert spürte Betroffenheit. Es war ihm sichtlich peinlich, sich diesen Eklat anhören zu müssen.
„Philip!“, brauste Frederick auf. „Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, tust du genau das, was ich dir sage, verstanden?“, fauchte er.
„Die Sachlage ließe sich ganz schnell ändern, wenn ich dieses gastliche Haus verlassen dürfte. Ich will dir ja gar nicht zur Last fallen! Lass’ mich mein eigenes Leben führen und du brauchst dich nicht über meine Unpünktlichkeit und Disziplinlosigkeit zu beschweren.“
„Aha, es ist also Absicht, dass der Herr Sohn sich meinen Anordnungen widersetzt!“, schnaufte Frederick. „Ich werde dich morgen exerzieren lassen, dass dir das Wasser in der Nase kocht!“, drohte er dann.
„Du kannst mir den Buckel herunterrutschen!“, versetzte Philip eisig. „Du weißt genau, dass du kein Recht …“
„Komm’ mir nicht mit irgendwelchen Gesetzen, du Paragrafenhengst!“, donnerte Bennett senior.
Robert sah den bittenden Blick seiner Schwester.
„Unternimm was!“, bat sie ihn leise. „Die bringen sich noch gegenseitig um.“
Robert hatte für einen Moment dem Gezeter seines Vaters und seines Bruders nicht zugehört. Er nahm seine Schwester am Arm.
„Komm, Betty, wir gehen“, sagte er leise. Betty stand auf und wollte mit Robert das Zimmer verlassen. Aber so heftig Philip und Frederick sich auch stritten, das leise Davonstehlen der jüngeren Kinder hatte der alte Bennett doch bemerkt.
„Hier geblieben! Wer hat euch erlaubt, einfach aufzustehen und das Zimmer zu verlassen?“, fuhr er Robert und Elizabeth an.
„Vater, du hast mich zu einem privaten Dinner eingeladen“, erwiderte Robert an der Tür. „Da es offensichtlich nicht stattfindet, weil du dich lieber mit Philip um des Präsidenten Bart streitest, ziehen Betty und ich es vor, in der Kantine zu essen, weil wir allmählich Hunger bekommen und dort in Ruhe essen können, ohne dies Gezeter in den Ohren zu haben“, erklärte Robert ruhig.
„Ihr bleibt hier!“, keifte Frederick. Dann wollte er sich wieder an Philip wenden, um weiter zu streiten, aber Robert ging dazwischen.
„Es reicht jetzt!“, befahl er barsch. Lieutenant-Colonel Bennett war es nicht gewohnt, dass ihm jemand Befehle gab. Der barsche Befehlston verschlug ihm zunächst die Sprache. Philip schwieg genauso verblüfft, weil er seinem kleinen Bruder eine derart tragfähige Stimme nicht zugetraut hatte.
„Sagt mal, seid ihr eigentlich von allen guten Geistern verlassen?“, fuhr Robert Vater und Bruder an. „Ich komme nach vier Jahren Akademie nach Hause und was erlebe ich? Mein Vater verkehrt nur noch im Befehlston mit mir und meinen Geschwistern. Ihr keift euch an wie die Kampfhähne, weil du, Philip, von Natur aus die Opposition in Menschengestalt bist und du, Vater, einen völlig unerklärbaren Rochus auf Rechtsanwälte hast – oder solche Leute, die es werden wollen. Ihr seid doch beide nicht ganz dicht! Vater, nimm bitte zur Kenntnis, dass Philip außerhalb der Dienstzeit nicht deiner disziplinarischen Gewalt unterliegt. Falls es dir Reglementskenner entfallen sein sollte, lies dir bitte deine Befugnisse im Reglement mal wieder durch. Ferner solltest du zur Kenntnis nehmen, dass es für dich ganz böse Folgen haben könnte, wenn du Philip wegen seiner Kleidung bei einem privaten Dinner außerhalb der Dienstzeit morgen exerzieren lassen willst. Ich werde das nicht zulassen, weil ich mich so gut auch im Reglement auskenne, dass ich sofort eine Beschwerde schreiben werde, wenn ich feststelle, dass du Philip zwiebelst, weil er außerhalb des Dienstes etwas getan hat, was dir als Privatmann widerstrebt. Und du, Phil, stell’ deine Daueropposition endlich ein und wende dich an Stellen, die dir helfen können, Vater dazu zu bringen, dich endlich aus dem Dienst zu entlassen. Entweder ist mit dem Gekeife jetzt sofort Schluss, oder Betty und ich gehen wirklich ‘rüber in die Kantine. Dort essen wir mit Sicherheit in besserer Gesellschaft als hier!“
Frederick und Philip saßen mit offenem Mund da. Der Colonel fing sich als erster.
„Was erlaubst du dir eigentlich? Hast du keinen Respekt vor deinem Vater?“
„Wenn mein Vater sich wie ein Hanswurst aufführt, nicht. Dein Benehmen ist eines Lieutenant-Colonel nicht würdig, Pa.“
Der Streit hörte zwar schlagartig auf, aber das gemeinsame Abendessen verlief in einer unschönen, gespannten Stimmung, in der sich eigentlich nur noch Robert und Betty unterhielten.
Einige Tage lang beruhigte sich das Verhältnis zwischen Philip und Frederick Bennett. Robert hatte wegen der Gereiztheit seines Vaters zunächst darauf verzichtet, ihm mitzuteilen, dass er von der Akademie mit Sonderzeugnis den Magistergrad der Rechte hatte. Der Hass seines Vaters auf jeden, der sich mit den Gesetzen auskannte, war Robert nur zu gut bekannt. Bettys Bedrücktheit blieb. Nicht einmal Robert konnte sie mit Spaziergängen und Schlittenfahrten aufmuntern. Er schob es darauf, dass Betty hoffnungslos in Thomas Craig verschossen war und er ihr sehr fehlte.
Knapp zwei Wochen nach seiner Ankunft in Fort Randall verfügte Robert über einen ‚Zug’ von fünf Mann. Jeder, der neu zum Regiment kam, wurde in Roberts entstehenden Zug gesteckt. Zu seinem Leidwesen konnten die Neuen kaum reiten, hatten von Waffen überhaupt keine Ahnung. Robert hatte schon viel Geduld investiert, um seine Neulinge in die Geheimnisse des Soldatenberufes einzuführen. Einer seiner Rekruten war Umberto Cologgia, ein italienischer Einwanderer, der nur wenig Englisch sprach. Robert hatte seine liebe Not mit ihm.
„Mr. Cologgia!“, schnaufte er, als er morgens im Stall mit dem Italiener Pferde putzte. „Im Italienischen mag meine Rangbezeichnung Sottotenente sein. Hier ist es Second-Lieutenant! Kapieren Sie das endlich!“
„Si, Sotto…, permesso, Second-Lieutenant.“
„Sir reicht völlig“, grinste Bennett, in der Meinung, Cologgia habe es endlich begriffen.
„Si, Signore Sottotenente“, machte Cologgia die Bemühung im Einzelunterricht wieder zunichte. Robert lehnte sich vornüber an das Pferd, das er gerade striegelte.
„Womit hab’ ich das verdient?“, seufzte er resigniert. „Collie, Sie lernen’s nie!“
„Ah, Signore, ich bin fertig mit meinem cavallo. Was soll ich jetzt tun?“
Robert zog die Uhr aus der Tasche.
„Es ist Weckzeit. Schmeißen Sie Mattson, Elders und Andersson aus dem Bett und holen Sie Brennecke vom Donnerbalken, falls er nicht schon festgefroren ist. Sie sollen sich hier im Stall melden.“
„Si, Signor Sottotenente“, grinste Cologgia.
Robert sah ihm kopfschüttelnd nach. Einerseits schien Cologgia ihn aus purer Nichtswürdigkeit italienisch anzureden, andererseits tat er für den Lieutenant nahezu alles, war immer zur Stelle, wenn Robert jemanden brauchte, der nicht ganz angenehme Arbeiten übernahm. Collie war die Gutwilligkeit in Person und machte das, was man ihm auftrug immer richtig, vollständig und schnell. Vor allem schien er besser zu begreifen, als er mit seiner offenbar gewollt falschen Anrede glauben machen wollte. Robert schätzte den kleinen Italiener sehr. Cologgia war um die Stallecke verschwunden, und Robert nahm sich den rechten Vorderhuf seines Dienstpferdes, eines großen Armeeschimmels, vor.
Plötzlich hörte er eilige Schritte in der Stallgasse, die zu keinem seiner Rekruten passten. Vorsichtig sah Robert um die Kruppe seines Schimmels und erkannte Philip, der im hinteren Teil des Stalles eilig seine Stute sattelte.
„Guten Morgen, Philip. Hat Paps dich schon wieder auf Patrouille geschickt?“, fragte er.
„Nein“, kam es von hinten. „Und ein guter Morgen ist es auch nicht! Ich habe eben ein Telegramm vom Kriegsminister bekommen. Er meint, er kann nichts für mich tun, ich sollte mich an seinen Nachfolger wenden. Ich sehe keine andere Chance mehr. Ich muss handeln“, erwiderte Philip. Robert legte sein Putzzeug beiseite und ging zu seinem Bruder hin.
„Was hast du vor?“, fragte er. Philip seufzte.
„Es hat keinen Zweck mehr Bob. Vater unterschreibt mein Abschiedsgesuch nicht, will mich auch nicht zu den 2nd Dragoons lassen, und der amtierende Kriegsminister Floyd verweist mich auf seinen Nachfolger, der erst im März sein Amt antritt. Mir reicht’s. Ich sehe keine andere Möglichkeit das Sommersemester noch zu erreichen, als einfach abzuhauen.“
„Philip, mach’ keinen Blödsinn! Du fängst dir mit Fahnenflucht mehr Ärger ein als im Stall Fliegen mit dem Fliegenfänger! Tu’s nicht! Mach’ dich nicht unglücklich!“, beschwor Robert den fünf Jahre älteren Bruder.
„Das bin ich schon. Robert, ich bin in die Army eingetreten, weil Paps mich einfach beim Virginia Military Institute angemeldet hat, ohne mich zu fragen, ob ich das überhaupt wollte. Und als ich dann gegen meinen Willen Soldat war, hat er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um mich in seinen Haufen zu bekommen – so wie er auch dafür gesorgt hat, dass du in sein Regiment gekommen bist. Und jetzt lässt er uns nicht mehr aus den Klauen. Nein, Bob, wenn ich legal offenbar hier nicht wegkomme, kann ich auch türmen.“
„Philip, lass’ es bleiben! Ich habe an den Armeechef geschrieben und von Vaters Kapriolen berichtet. Warte wenigstens die Antwort noch ab!“
„Nein, zu spät, Robert. Ich gehe jetzt!“
„Wie?“ fragte Robert gedehnt.
„Ich haue ab! Ich de – ser – tie – re, kapiert?“
Robert wollte noch etwas einwenden, aber er kam nicht mehr dazu. Philip schlug so schnell und hart nach der Schläfe seines Bruders, dass der nicht mehr ausweichen konnte und bewusstlos zu Boden ging.
„Tut mir Leid, Bobby. Ich hatte keine andere Wahl“, murmelte Philip, sattelte sein Pferd fertig und verließ den Stall.
Cologgia und Roberts übrige Rekruten sahen First-Lieutenant Philip Bennett den Stall verlassen und dachten sich nichts dabei. Philip ritt öfter allein fort. Aber als sie in den Stall kamen, war der Second-Lieutenant Robert Bennett wie vom Erdboden verschluckt.
„Sottotenente!“ rief Cologgia besorgt. „Signor Bennett? Roberto?“
Keine Antwort. Schließlich suchten sie die langen Stallungen ab und fanden Robert besinnungslos neben dem Stand, in dem sonst Philips braune Stute stand. Einige Momente waren sie völlig verblüfft, dann fasste Cologgia sich ein Herz und klopfte den Lieutenant wach. Allmählich kam er zu sich.
„Collie, was ist mit dem Lieutenant?“
„Non lo so, scusi, ich weiß nicht. Eh, Lieutenant!“
„Bah! Das klingt ja noch grausiger als Sottotenente, Collie!“, beschwerte sich Robert, der in diesem Moment aufwachte.
„Bene, Sottotenente. Come sta? Permesso, wie geht’s?“
Robert richtete sich ruckartig auf und packte Cologgias Arm.
„Wo ist mein Bruder?“, fragte er hastig.
„First-Lieutenant Bennett ist vor ein paar Minuten weggeritten, Sir“, gab Trooper Andersson Auskunft.
„Schon jemand hinter ihm her?“
„Nein, Sir. Weshalb, Sir?“
„Weil mein Bruder gerade dabei ist, Fahnenflucht zu begehen. Los, sattelt eure Pferde!“
„Sie wollen Ihren eigenen Bruder verfolgen, Sir?“, fragte Mattson entgeistert.
„Das ist nicht der Moment, dumme Fragen zu stellen, Trooper Mattson! Los, beeilt euch, bevor Lieutenant-Colonel Bennett seine Hofhunde in Gestalt der Militärpolizei loslässt!“, schnauzte Robert ungewohnt barsch. Cologgia legte den Kopf schief.
„Si, Sottotenente, ich bin dabei“, sagte er. Die anderen vier sahen ihn verstört an.
„Collie, bist du übergeschnappt?“, keuchte Andersson.
„No! Ich glaube, ich weiß, was der Sottotenente vorhat. Andiamo!“, erwiderte Umberto mit listigem Grinsen. Mehr oder weniger laut murrend folgten die Reiter Cologgia zu den Ständen ihrer Pferde.
Frederick Bennett sah die kleine Truppe aus dem Fort reiten.
„Robert holt ihn zurück, da bin ich sicher. Captain Stanfield, Sie können die Verfolgung abblasen“, sagte er.
„Sie meinen ernsthaft, dass Ihr Sohn seinen Bruder ans Messer liefert?“, fragte Stanfield verblüfft. „Sir!“, setzte er eilig hinzu, als er Bennetts strafenden Blick bemerkte.
„Ja, Captain Stanfield, das glaube ich. Robert ist der beste Spurenleser, den ich kenne und er ist Soldat von Herzen. Deserteure gehen ihm genauso gegen den Strich wie mir.“
Am Platte-River stürmte es eiskalt direkt aus der kanadischen Eiswüste herunter. Der aufkommende Blizzard drohte alle Spuren zu verwischen, einschließlich denen, die Roberts Patrouille hinterlassen hatte. Robert sah sich nach seinen Leuten um. Sie hingen mit offensichtlich schmerzenden Hinterteilen in den Sätteln. Die Spur auf dem gegenüberliegenden Ufer des Platte war für Robert noch deutlich erkennbar, aber er konnte annehmen, dass seine Leute sie nicht wahrnehmen würden. Er beschloss, die Probe aufs Exempel zu machen.
„Trooper Andersson! Ich sehe keine Spur mehr. Können Sie noch was entdecken?“
Andersson schloss zu Robert auf, sah angestrengt auf die andere Seite.
„Nein, Sir. Ich sehe nichts mehr. Der Schneesturm muss die Spur verweht haben.“
„Sehe ich auch so“, erwiderte Robert, schelmisch grinsend. „Los, zurück, bevor uns der Blizzard wegpustet!“, befahl er dann.
Sie machten kehrt. Andersson, ein Mann, der aus Schweden eingewandert war, ritt neben Cologgia.
„Du hattest Recht, Collie“, murmelte er.
„Was meinst du, Arne?“, fragte Cologgia harmlos.
„Collie, ich bin Jäger. Die Spur war klar wie die Sonne. Der Lieutenant wollte sie nicht sehen!“
Cologgia grinste, dass sich sein schwarzer Schnurrbart sträubte.
„Er ist kein schlechter Kerl, unser Lieutenant“, sagte er. „Aber wenn du ihn verpfeifst, setzt es heiße Ohren!“, warnte Cologgia den Schweden in nahezu akzentfreiem Englisch. Robert grinste in sich hinein. Der kleine Kerl wollte ihn also doch nur aufziehen, wenn er italienisch radebrechte. Andererseits lag in seiner Anrede immer so viel Respekt, dass Bennett sich langsam von der italienischen Titulatur angenehm berührt fühlte. Er mochte Cologgia. Und seine Jungs waren in Ordnung.
Frederick Bennett machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl, als Robert ihm meldete, er habe die Spur am Platte-River verloren.
„Seit wann verlieren Sie eine Spur, Lieutenant Bennett?“, fauchte er.
„Am Platte ist ein Blizzard über uns hereingebrochen, der jeden Hauch von Spur vernichtet hat. Ich kann nur annehmen, dass Philip ein Stück durch den Fluss geritten ist und erst später auf dem linken Platte-Ufer weitergeritten ist. Es hat so einen Schneesturm gegeben, dass wir unsere eigenen Spuren bald verloren haben. Wenn Sie mir nicht glauben, Sir, dann fragen Sie meine Männer“, erklärte Robert. Lieutenant-Colonel Bennett winkte ab.
„Ich seh’s ein. Sie haben getan, was Sie konnten. Ist gut, Lieutenant Bennett, Sie können gehen.“
Robert salutierte, drehte sich um und wollte gehen, als Frederick ihn noch einmal ansprach:
„Was meinst du? Was wird er jetzt machen? Wohin wird er gehen?“
Verblüfft über die ungewohnt vertrauliche Anrede, drehte Robert sich wieder langsam um.
„Als Privatmann gefragt oder als Offizier, Sir?“, fragte er zurück. Sein Vater wandte sich vom Fenster ab, aus dem er die ganze Zeit hinaus gestarrt hatte, als könne er seinen älteren Sohn mit Blicken herbeiholen. Jetzt wirkte er müde, alle dienstliche Strenge, die er bis vor wenigen Sekunden noch gezeigt hatte, war gewichen.
„Wir sind allein, Robert. Was meinst du?“, wiederholte der Colonel seine Frage.
„Sorry, Sir, das ist noch keine Antwort auf meine Frage. Darf ich den Colonel im Dienst duzen, ohne mit drei Tagen Arrest rechnen zu müssen?“, fragte Robert erneut.
Frederick Bennett seufzte schwer und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er hatte das dunkle Gefühl, dass er mit seiner Forderung nach Disziplin, die er auch seinen Söhnen ohne Nachsicht abverlangt hatte, einen schweren Fehler gemacht hatte. Jetzt wollte er diesen Fehler revidieren, aber er stieß auf Misstrauen, das er erst abbauen musste.
„Vergiss es“, sagte er. „Es ist einfach Blödsinn, von den eigenen Söhnen Ehrenbezeigung zu fordern, selbst wenn man allein mit ihnen ist. Es ist Dummheit, private Unterhaltungen nur auf die eine oder zwei Abendstunden zu beschränken. Ich möchte das jetzt ändern, mein Junge. Ich frage dich als meinen Sohn, Robert.“
Robert zog sich den schweren Mantel aus und hängte ihn mit dem schwarzen Hardeehut an die Garderobe im Amtszimmer seines Vaters. Dann setzte er sich auf die andere Seite des Schreibtisches und sah seinen Vater einen Moment an. So bedrückt, wie sein Vater ihn ansah, hatte er viel Ähnlichkeit mit Philip an diesem Morgen im Stall. Kein Zweifel, Frederick Bennett war das Ebenbild seines älteren Sohnes – nur grauhaarig und mit eisgrauem Bart um die jetzt zusammengekniffenen Lippen und das Kinn.
„Ich weiß, dass dir Disziplin über alles geht, einschließlich der eigenen Familie, Dad. Mom hat darunter gelitten, Onkel Ben hat darunter gelitten, Betty, Phil und ich auch. Jetzt hast du das Ergebnis davon“, sagte Robert leise. „Was Philip tun wird? Ich nehme an, er wird weggehen, soweit wie nur irgend möglich. Er wird sich einen Staat suchen, in den der Arm unseres Gesetzes nicht ohne weiteres reicht und wo er in Ruhe studieren kann. Zu denken wäre an Kanada oder die in Sezession befindlichen Staaten, wobei das Letztere wenig wahrscheinlich sein wird. Eher noch England. Aber du kannst es verhindern, indem du sein Gesuch einfach unterschreibst und ihn für derzeit in Urlaub befindlich erklärst“, schlug der junge Mann vor.
„Wenn es so einfach wäre, mein Junge! Ich habe heute Morgen, gleich, nachdem klar war, dass Philip flüchten wollte, an die Armeeführung telegrafiert und seine Desertion angezeigt“, erwiderte Frederick müde.
„Und wenn du noch mal telegrafierst, dass ein Irrtum vorliegt, weil der Urlaubsschein verlegt war?“, versuchte Robert es weiter. „Es ist doch kein Problem, ihm einfach Urlaub zu geben.“
„Das ist ja mein Problem!“, seufzte Frederick. „Die Streiterei geht schon seit fast zwei Jahren. Ich habe General Scott geschrieben und mit ihm dieses Signal ausgemacht. Er hat die Maschinerie schon in Gang gesetzt.“
„Na, großartig, Daddy. Warum hast du es nur soweit kommen lassen, dass du als Vater deinem Sohn eine Anzeige wegen Fahnenflucht an den Hals hängst? Du weißt doch, was passiert, wenn die Militärpolizei ihn schnappt. Die spicken ihn erst mit elf Stücken Blei und fragen dann, ob sie den richtigen erwischt haben!“
„Du weißt doch, wie stur Philip ist.“
„Wohl wahr – genauso wie sein Vater!“, versetzte Robert grinsend. Frederick wollte etwas einwenden, aber Robert schüttelte den Kopf. „Vater, wir sind beide deine Söhne, auch wenn wir unterschiedliche Mütter haben. Philip hat schon äußerlich viel Ähnlichkeit mit dir. Du kannst verdammt stur sein. Aber nachdem, was Philip mir von seiner Mutter erzählt hat, und was ich von dir von deiner ersten Frau weiß, wusste sie auch ihren Kopf durchzusetzen. Bei der Kombination solltest du dich über Philips Sturheit nicht wundern“, sagte er lächelnd. Sein Vater bekam einen beinahe wehmütigen Ausdruck in den Augen.
„Wie biege ich das wieder gerade?“ fragte er.
„Versuch’ es beim Provost Department. General Howard, der Oberste Richter, ist eigentlich ein vernünftiger Mensch. Vielleicht kann er die Verfolgung, die nach deiner Anzeige von Amts wegen aufgenommen wurde, stoppen“, empfahl Robert. Die Art, wie er es sagte, ließ bei Frederick den Verdacht aufkommen, sein jüngerer Sohn verstünde etwas von Recht. Eine furchtbare Vorstellung für jemanden wie Frederick Bennett, der kaum etwas mehr hasste als Rechtsanwälte und Indianer.
„Du verstehst doch nicht etwa was von Gesetzen? Das tust du mir nicht an!“, keuchte er.
„Papa, ich habe mich kundig gemacht, weil auch ein Soldat heute nicht mehr ohne Paragrafen auskommt. Ich habe einen Magistergrad in Jura.“
Frederick schnappte heftig nach Luft und war im ersten Impuls versucht, in seine alte Gewohnheit zurückzufallen und heftig zu zetern, aber er beherrschte sich rechtzeitig, weil ihn im Augenblick die Sorge drückte, auch Robert könnte den Dienst quittieren.
„Womit habe ich das nur verdient?“, seufzte er nur. Robert grinste breit.
„Vermutlich hast du so heftig auf Anwälte gewettert, dass Phil und ich unbedingt wissen wollten, ob Jura wirklich ein so widerliches Fach ist“, erwiderte er.
„Wenn du schon den Leuten das Wort im Munde herumdrehen kannst, könntest du eigentlich für mich ans Provost-Department schreiben.“
„Wenn du unterschreibst, mache ich das sofort“, bot Robert an. Sein Vater nickte und der junge Mann schrieb gleich folgenden Brief:
Fort Randall, 30. Januar 1861
General Simpson T. Howard
Washington D.C.
– per Kurier –
Dear Sir,
mit Telegramm vom heutigen Tage hatte ich bei General Scott, Commander-in-Chief, angezeigt, dass First Lieutenant Philip Bennett, Cavalry Reserve West, die Truppe unerlaubt verlassen hat und fahnenflüchtig ist.
Bei der Anzeige handelte es sich um einen bedauerlichen Irrtum, der sich nun bei der täglichen Kontrolle der Personalakten aufgeklärt hat. Versehentlich wurde der Urlaubsschein für First-Lieutenant Philip Bennett in der Akte von Second-Lieutenant Robert Bennett abgelegt, der gleichfalls meinem Kommando angehört. Ich bitte deshalb darum, eventuell eingeleitete Fahndungsmaßnahmen einzustellen.
Darüber hinaus teile ich mit, dass First-Lieutenant Philip Bennett mir als seinem Kommandeur seine Kündigung zum 1. Februar 1861 vorgelegt hat. Bei dem jetzt angetretenen Urlaub handelt es sich um noch ausstehenden Resturlaub bis zum Ablauf der Dienstzeit.
Hochachtungsvoll
( Frederick J. Bennett, Lieutenant-Colonel )
Frederick Bennett las das Schreiben durch, brummte zufrieden und unterschrieb.
„Es wäre mir noch lieber, wenn du noch eine Depesche gleichen Inhalts an das Provost Department absenden würdest“, sagte er dazu.
„Wird gemacht, Sir“, bestätigte Robert.
„Den Brief hast du so locker aus dem Handgelenk geschüttelt, mein Junge. Philip war mein Adjutant. Jetzt bin ich ihn auf jeden Fall los. Willst du die Position übernehmen?“
„Ich schlage so ein Angebot ungern aus, Paps. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich wirklich zum Schreibtischhengst tauge. Aber wenn du meinst, dass sich der Job mit meiner neuen Stellung als Zugführer verträgt, mache ich es“, erwiderte Robert.
„Noch besteht dein Zug aus ganzen fünf Mann. Solange der Zug nicht vollständig ist, kannst du auf jeden Fall mein Adjutant sein. Danach sehen wir weiter“, bot der Lieutenant-Colonel an. Robert nickte und verließ das Amtszimmer. Draußen schüttelte er sich zunächst, wie um ein Traumbild loszuwerden. War das wirklich sein Vater, mit dem er gerade gesprochen hatte? Wenn ja, hatte Frederick Jefferson Bennett sich von einer Sekunde auf die andere um hundertachtzig Grad gedreht.
Der Lieutenant eilte zum Telegrafen und ließ die Nachricht durchgeben, bevor er Trooper Morgan aus Philips Zug mit der Beförderung des Original-Schreibens beauftragte. Aber die Antwort, die er schon zwei Stunden später in der Hand hielt, war niederschmetternd: Das Provost Department hatte die Ermittlungen von Amts wegen aufgenommen und wollte einer Rücknahme der Anzeige nicht zustimmen. Man verwies darauf, dass im anstehenden Prozess ausreichend Gelegenheit sei, ein entsprechendes Missverständnis aufzuklären.
Robert gab seinem Vater die Antwort des Militärgerichtes mit einem Blick, der Bände sprach. Frederick las die Antwort und raufte sich nur noch die Haare. Er hatte seinen ältesten Sohn verraten!
Kapitel 3
Flucht in den Süden
Philip hatte hinter einigen Bäumen versteckt die Patrouille beobachtet und festgestellt, dass es ausgerechnet sein Bruder Robert war, der ihn verfolgte.
‚Ich hätte ihn nicht niederschlagen sollen. Das war ein Fehler. Er ist bestimmt sauer’, bedauerte Philip in Gedanken seine Tat im Stall. Aber zu seiner Verblüffung blieb die Patrouille auf der rechten Seite des Platte. Philip hatte mit Robert oft gejagt und wusste, dass es in dieser Gegend außer Schwarzer Adler vom Stamm der Assiniboins keinen besseren Spurenleser gab als seinen jüngeren Bruder. Umso mehr wunderte es ihn, dass die Truppe den Fluss nicht überquerte. Zwar waren seine Spuren verweht, aber für einen geübten Fährtensucher wie Robert mussten sie zu sehen sein. Philip nahm vorsichtig sein Fernglas aus der Satteltasche und sah nach drüben. Den Ausdruck im Gesicht seines Bruders kannte er. Kein Zweifel, Robert konnte die Spur sehen wie eine im Wind flatternde Fahne! Philip konnte erkennen, dass Robert sich kurz mit einem seiner Männer unterhielt und dann ein überdeutliches Zeichen zum Umkehren gab. Robert hatte die Spur absichtlich verloren!
„Teufelskerl!“, murmelte Philip. „Wie mache ich das nur wieder gut?“
So von seinem Bruder geschützt, reiste Philip unbehelligt zunächst nach Boston, zu seinem Onkel Benjamin Bennett.
„Bist du des Teufels?“, fuhr Ben seinen Neffen an. „Robert und ich schreiben uns die Finger wund, um dich aus der Army zu holen – und du kneifst einfach aus! Hast du den Verstand verloren?“
„Vielleicht“, räumte Philip ein. „Onkel Ben“, sagte er dann, „seit einem vollen Jahr versuche ich, meinen Dienst legal zu quittieren. Paps leitet meine Gesuche nicht weiter, von ihm nicht abgezeichnete Briefe bekomme ich von General Scotts Adjutanten mit der Bemerkung zurück, ein Abschiedsgesuch nur mit dem Vermerk der Kenntnisnahme meines Kommandeurs vorzulegen. Daddy lässt nicht einmal eine Versetzung zu einer anderen Einheit zu, vom amtierenden Kriegsminister bekomme ich die freundliche Empfehlung, mich doch an seinen Nachfolger zu wenden, der ihm aber leider noch nicht namentlich bekannt ist. Ich gehe jede Wette ein, dass auch weder der amtierende Präsident Buchanan noch der gewählte Präsident Lincoln willig sind, mir behilflich zu sein! Es sieht doch so aus, dass ich die Army nicht legal verlassen kann, wenn sich mein Kommandeur weigert, meine Kündigung zur Kenntnis zu nehmen! Onkel Ben ich sehe keine andere Chance mehr, als mich französisch zu verabschieden!“, versetzte Philip bitter.
„Zugegeben, in gewisser Weise hast du Recht, Phil. Aber wir hätten noch die Möglichkeit gehabt, deinen Vater vor Gericht zur Kenntnisnahme deiner Kündigung zu zwingen“, erwiderte Ben Bennett. „Durch deine Fahnenflucht hast du jetzt aber alles zunichte gemacht.“
„Onkel Ben, ich hätte mit Sicherheit ein weiteres volles Jahr auf der Universität verloren, wenn …“
„Und durch diesen Blödsinn von Desertion verlierst du jetzt alles!“, unterbrach Benjamin seinen Neffen barsch. „Philip, du bist doch sonst nicht so kopflos!“, schüttelte er den Kopf. Philip ließ sich müde in den Sessel fallen, vor dem er stand.
„Seit ich zum ersten Mal die Absicht geäußert habe, den Dienst quittieren zu wollen, schikaniert mein Vater mich nach Strich und Faden. Die Schikanen werden immer schlimmer. Bob hat versucht, sich als Puffer zu betätigen, aber er kann mich auch nicht schützen. Dazu müsste er wohl Papas Vorgesetzter sein. Aber bevor mein Vater zulässt, dass einer seiner Söhne ihm vor die Nase gesetzt wird, läuft der Missouri in die Quelle zurück. Onkel Ben, ich hab’s einfach nicht mehr ausgehalten.“
Benjamin Bennett seufzte.
„Das Beste wäre, wenn du jetzt wirklich nicht mehr greifbar wärst. Du solltest das Land verlassen. Geh’ nach England oder Kanada“, empfahl er nach einigem Nachdenken.
„Dann suche ich mir am besten gleich eine Passage nach England. Dann kann ich wenigstens in Oxford studieren.“
„Komm, wir machen uns gleich auf den Weg, damit du möglichst weit auf hoher See bist, wenn die Steckbriefe ausgehängt werden“, sagte Benjamin, nahm seinen Mantel und verließ mit seinem Neffen die Kanzlei.
Auf dem Weg zum Hafen kamen sie an einem Polizeirevier vorbei, bei dem Steckbriefe in einem Schaukasten an der Straße hingen. Philips Name stand in großen Lettern auf einem der Steckbriefe – und eine Belohnung von zweihundert Dollar war auf seine Ergreifung ausgesetzt. Benjamin ging näher heran. Der Steckbrief enthielt zwar nicht die übliche Porträtzeichnung des Gesuchten, aber eine deutliche Personenbeschreibung: Sechs Fuß, zwei Inch groß, kurzes, dunkles Haar, grüne Augen, Oberlippenbart, bekleidet mit Kavallerieuniform und den Rangabzeichen eines First-Lieutenant.
„Hmm“, brummte Benjamin. Er sah seinen Neffen an. „Unsere Idee können wir vergessen. Los, komm mit.“
„Was meinst du?“, fragte Philip erschrocken.
„Du brauchst neue Sachen. Wir gehen zu meinem Schneider und zum Friseur, mein Junge. Der Bart muss ‘runter“, erwiderte Benjamin und schob Philip in den nächsten Friseurladen. Beim Schneider fanden sich passende Sachen, die Philip kaufte und gleich gegen seine Uniform tauschte. Dann kehrten sie in die Kanzlei zurück.
„Du kannst dich nicht direkt von Boston aus einschiffen. Von hier aus kommst du nicht ins Ausland. Du solltest nach Süden reisen und von Virginia oder noch besser von South Carolina fahren“, schlug Ben vor.
„Onkel Ben, als Nordstaatler reist man besser nicht freiwillig in einen vor Yankeehass brodelnden Süden“, gab Philip zu bedenken.
„Du kannst den virginischen Zungenschlag kaum verbergen, mein Junge. Nutze ihn. Du kennst Virginia wie deine Westentasche.“
„Jeder Virginier würde sofort merken, dass ich nicht von dort bin“, entgegnete Philip.
„Möglich. Aber jemand aus South Carolina oder aus Texas könnte deinen virginischen Dialekt nicht vom tatsächlichen Idiom unterscheiden. Du fährst mit der Bahn über Lynchburg und Danville in Virginia nach Florence in North Carolina, dort steigst du nach Charleston, South Carolina, um. In Charleston findest du mit Sicherheit ein Schiff, das nach England geht. Dein Steckbrief dürfte Charleston noch nicht erreicht haben, weil die Regierung von South Carolina sämtliche Beziehungen zum Bund gelöst hat.“
„Gut, dann besorge ich mir sofort eine Fahrkarte, bevor die Personenbeschreibung noch geändert wird“, erwiderte Philip und verließ eilig die Kanzlei.
Philip hatte Glück. Noch am selben Nachmittag fuhr ein Zug nach Lynchburg. North Carolina und Virginia hatten sich noch nicht zur Sezession entschlossen, weshalb es noch problemlos möglich war, per Zug dorthin zu reisen. In Charlotte, North Carolina, hatte der Zug längeren Aufenthalt, weil es Probleme mit dem Grenzübertritt gab. Beamte der Staatspolizei von North Carolina durchsuchten den Zug nach möglichen flüchtigen Gesetzesbrechern. Philip sah sein letztes Stündlein gekommen, als ihn ein Zugschaffner beiseite nahm und ihn ins Gepäckabteil lotste.
„Sie wollen bestimmt nicht von den Burschen kontrolliert werden, Sir“, mutmaßte der Mann.
„Wie kommen Sie darauf?“, fragte Philip verblüfft.
„Sie haben sich zu deutlich nach einem Fluchtweg umgesehen. Was haben Sie ausgefressen? Bankraub? Überfall?“
„Nein, ich habe nur meinen letzten Arbeitgeber heimlich, still und leise verlassen“, erwiderte Philip.
„Das war dann wohl die Army, was? He, Sie sind in guter Gesellschaft, Mister. Ich hab’s genauso gemacht“, lachte der Schaffner. Er überlegte einen Moment. „Ich geb’ Ihnen eine Bahnuniform. Unter der Verkleidung vermutet kein Polizist einen Ausreißer von der Army“, schlug er dann vor, und Philip nahm an.
Die Polizisten fielen auf seine neue Tarnung prompt herein und der Zug überquerte die Grenze nach South Carolina.
„Herzlich willkommen in den Confederate States of America“, sagte der Schaffner, als der Zug über die Staatsgrenze von South Carolina rollte. Philip bedankte sich mit einem Kopfnicken.
„Was haben Sie vor, Sir?“, fragte der Schaffner dann.
„Ich suche eine Passage nach England, um dort Jura zu studieren.“
Der Schaffner winkte ab.
„‘Rausgeschmissenes Geld, Mister. In Texas, das sich der Konföderation angeschlossen hat, können Sie das genauso gut.“
Philip lachte bitter.
„Ja, bis der Spuk zu Ende ist. Ich glaube nicht, dass die Konföderation langen Bestand haben wird.“
Der Schaffner stemmte die Hände in die Hüften.
„Das kann nur ein Yankee von sich geben, Mister!“, schnaubte er. „Wir Südstaatler sind einzeln mehr wert als fünf Yankees.“
Philip zog spöttisch eine Augenbraue hoch.
„Und den Blödsinn, den Sie da gerade faseln, den glauben Sie, ja?“, fragte er. Der Schaffner senkte den Kopf und war kurz davor, auf Philip loszugehen, als ein hochgewachsener Mann, etwa in Philips Alter, das Dienstabteil betrat. Er trug die Uniform der Eisenbahngesellschaft.
„He, Read, wo bleiben Sie denn? He, Moment mal, wer is’n das?“, stockte er, als er den ihm fremden Mann in der Eisenbahnuniform sah.
„Verzeihung, Sir, wir hatten noch keine Zeit, uns vorzustellen“, erwiderte Read. „Dieser Herr hier ist bei der Yankeearmee ausgerückt. Ich habe ihm eine neue Tarnung verschafft.“
Der Mann sah Philip einen Moment an.
„Mein Name ist Morrows, Yancey Morton Morrows. Mit wem habe ich das Vergnügen?“, stellte er sich vor.
„Philip Bennett.“
„Nun, herzlich willkommen im besten Land, das die Erde bieten kann, Mr. Bennett.“
„Mr. Morrows, ich habe nicht vor zu bleiben, denn ich glaube weder an den Bestand der Konföderation noch an die Sklaverei“, erwiderte Philip mit einem freundlichen Lächeln.
„Sir, ich hoffe, die Konföderation wird Sie eines Tages eines erheblich Besseren belehren“, gab Morrows zurück.
„Mr. Read erwähnte gerade die interessante Theorie, dass ein Südstaatler fünf Yankees aufwiege – woran ich denn doch meine Zweifel hätte, Mr. Morrows. Davon abgesehen, denke ich, dass die Südstaatler ein paar mehr als Stücker fünf erledigen müssten, wenn sie denn gegen den Norden wirklich durchhalten wollen. Ihnen ist sicher bekannt, dass im Norden etwa dreißig Millionen Menschen leben, während sich für den Süden vermutlich um die vier Millionen Weißer streiten würden – rechnet man Frauen, Kinder und Greise mit ein“, lächelte Philip verbindlich. Morrows sah Bennett interessiert an.
„Nun, Mr. Bennett, ich glaube, solche Leute wie Sie könnte der Süden gut brauchen. Wir hoffen zuversichtlich, dass sich auch die übrigen Sklavenhalterstaaten der Revolution anschließen werden. Nichtsdestoweniger können wir auch Leute brauchen, die aus dem Norden sind, wenn sie unsere Ideen von Freiheit und Selbstbestimmung vertreten“, lockte Morrows.
„Danke, Sir, ich bin bedient. Ich habe der Armee der Vereinigten Staaten einige Jahre gedient, was mir für den Rest meines Lebens reicht. Ich bin absolut sicher, dass Lincoln eine Abspaltung des Südens nicht dulden wird, weil er sich das nicht leisten kann. Zum anderen bin ich allergisch dagegen, dass manche Leute meinen, sie könnten von einer anderen Person schon deshalb Besitz in Form von Eigentum ergreifen, weil diese andere Person schwarzer Hautfarbe ist“, versetzte Philip kühl. Morrows lächelte freundlich.
„Sie werden es kaum glauben, Sir, aber es gibt auch im Süden Leute, die Ihrer Auffassung hinsichtlich der Sklaverei sind. Ich halte diese besondere Einrichtung für eine derzeit noch notwendige Übergangslösung. Aber es wird auch im Süden für Dauer keine Sklaverei geben. Davon jedoch abgesehen, Mr. Bennett, glaube ich, dass es die weitaus meisten Sklaven in den Südstaaten es wesentlich besser haben, als manche Arbeiter im Norden. Der Arbeiter im Norden mag nominell frei sein, tatsächlich ist er es nicht. Von den Sklaven im Süden wird kaum einer so schlimm behandelt, wie die Arbeiter im Norden.“
„Die Arbeiter im Norden, verehrter Mr. Morrows, können sich frei entscheiden, ob sie bei diesem oder bei dem Fabrikanten arbeiten wollen. Und wenn ihnen ihr Arbeitgeber nicht passt, haben sie durchaus die Freiheit, sich einen Arbeitgeber zu suchen, der ihren Ansprüchen eher gerecht wird“, erwiderte Philip schluckend. Der Mann trieb ihn in eine Ecke, die ihm unangenehm war. Morrows lächelte gewinnend.
„Die Arbeitgeber im Norden, Mr. Bennett, behandeln ihre Leute schlechter als Sklaven. Ein Sklavenhalter käme nicht auf die Idee, seine Leute, wenn sie zu alt und zu schwach sind zum Arbeiten, einfach ‘rauszuschmeißen, wie es im Norden tägliche Übung ist. Ein altgewordener Sklave bekommt sein Gnadenbrot, bis der Herrgott meint, es sei nun genug mit dem irdischen Dasein. Ein Arbeiter im Norden wird auf die Straße gesetzt und weiß künftig nicht, wovon er leben soll. Sagen Sie selbst, ist das System perfekt?“
„Kein System, Mr. Morrows, das auf die Ausbeutung von anderen Menschen setzt, ist perfekt. Der Arbeiter im Norden hat jedenfalls die Möglichkeit, auszuprobieren, ob es nicht einen besseren Arbeitgeber gibt. Der Sklave im Süden schmachtet unter der Peitsche seines Aufsehers, hat keine Wahlmöglichkeit. Ich will nicht ausschließen, dass es im Süden anständige Leute gibt, die ihre Sklaven vernünftig und gut behandeln. Solche Fabrikanten gibt es auch im Norden. Das Gegenteil werden Sie mir nicht beweisen. Selbstverständlich bestreite ich nicht, dass es auch im Norden Fabrikanten gibt, denen das Leben eines an sich freien Arbeiters weniger wert ist, als das einer Katze. Aber für mich steht die persönliche Freiheit des Einzelnen deutlich höher als das Ansehen, das er als Individuum vielleicht bei jemandem hat, der ihn beschäftigt. Mich stört am System der Sklaverei einfach, dass ein Mensch einen anderen als sein Eigentum betrachtet. Warum muss Sklaverei sein? Warum können die Pflanzer des Südens die Schwarzen nicht einfach als normale Arbeiter beschäftigen?“
„Ein Sklave, Mr. Bennett, kostet seinen Besitzer den Anschaffungspreis und die laufenden Lebenshaltungskosten – sonst nichts.“
„Ich gebe zu, ich weiß nicht, was ein Sklavenhalter für seine Leute bezahlt und wie viel er ihnen zu essen gibt, aber diese Rechnung sieht doch sehr danach aus, dass der Sklavenhalter einen noch besseren Reibach macht, als ein Fabrikant im Norden, wenn er die Leute kauft und sie ihm persönlich gehören bis zum Ende ihrer Tage.“
Morrows seufzte.
„Sie sind ein Yankee und ein Abolitionist. Aber Sie scheinen wenigstens jemand zu sein, der sich mit dem Problem halbwegs wertneutral beschäftigt. Geben Sie mir die Chance, Sie zu überzeugen, dass unser System besser ist als Ihres?“
„Wie meinen Sie das, Mr. Morrows?“
„Nun, ich habe Verbindungen, die Ihnen einen Einblick in das Geschehen hier im Süden vermitteln können. Ich bin mit einem Pflanzer in Georgia befreundet, der über eine große Anzahl von Sklaven verfügt und der Ihnen gewiss gerne seinen Betrieb zeigen würde“, schlug Morrows vor. Philip dachte einen Augenblick nach. Er wollte verdammt sein, wenn er Sklaverei guthieß. Aber er wollte genauso verdammt sein, wenn er nicht jemandem die Chance gab, ihn von seiner vielleicht vorgefertigten Meinung abzubringen. Er lächelte Morrows gewinnend an.
„Gut, Mr. Morrows. Überzeugen Sie mich.“
Morrows grinste freundlich.
„Aber mit dem größten Vergnügen, Mr. Bennett.“
Yancey Morrows’ Bekannter, ein gewisser Edmund Mitchell, besaß in der Nähe von Savannah, Georgia eine Baumwollplantage, die von gut einhundertfünfzig Negersklaven bewirtschaftet wurde. Wenn Morrows die besondere Einrichtung namens Sklaverei einem Yankee wie Philip Bennett nahe bringen wollte, ging er mit der Plantage von Mitchell das geringste Risiko ein. Mitchell gehörte zu der vorbildlichen Art Sklavenhalter, die ihre Leute zwar auf dem Sklavenmarkt kauften, sie aber nicht wie Vieh, sondern wie Menschen behandelten. Auf der Plantage, Cotton Belle genannt, existierte wohl eine Peitsche, aber die hing im plantageneigenen Museum und war seit fast dreißig Jahren, seit Edmund die Plantage von seinem Vater übernommen hatte, unbenutzt. Er war ein wirtschaftlich denkender Mann, der ungern verschwenderisch mit Arbeitskräften umging. Auspeitschung oder gar Brandmarken bedeutete mindestens eine Woche Arbeitsunfähigkeit des Sklaven – und das konnte man sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen nicht leisten. Mitchell war gut zu seinen Sklaven und es hieß, dass seine Sklaven die zuverlässigsten und ruhigsten in ganz Georgia waren. Er hatte ein System entwickelt, das die Sklaven unter Kontrolle hielt, ohne sie mit körperlichen Strafen bedrohen zu müssen. Im Wesentlichen setzte er schwarze Vorarbeiter ein, die alle Vorfahren im Hochadel ihrer Stämme hatten. Diese Stammesautorität hielt sich auch noch nach zwanzig Generationen und dreihundert Jahren. Edmund hatte auch nichts dagegen, seinen Betrieb als Vorzeigeplantage herzugeben, um Gegnern der Sklaverei die Vorzüge dieser Institution aufzuzeigen. Das Telegramm, das er von Yancey Morrows bekommen hatte, hatte ihn inspiriert, wieder ein Austernrösten zu veranstalten. Es war Februar, also eine gute Jahreszeit, um Austern zu essen. Er bat Yancey und seinen Yankee-Bekannten, doch zu Washingtons Geburtstag, dem 22. Februar, zum Austernrösten[1] zu kommen.
Morrows selbst lebte in den eher bescheidenen Verhältnissen, die der Verdienst eines Bahnangestellten mit sich brachte. Er war Wachmann für Werttransporte bei der Wilmington & Manchester Railroad Company, führte manche Transporte aber auch bis nach Savannah auf der Charleston & Savannah Railroad. Wie sich herausstellte, besaß er eine kleine Farm in Kentucky und eine kleine Wohnung in Florence, South Carolina, wo er wohnte, wenn er Dienst hatte. Den wenigen Urlaub verbrachte er meist im Sommer zur Erntezeit auf der elterlichen Farm, die die meiste Zeit des Jahres von seiner Schwester Pamela bewirtschaftet wurde. Sklaven hatte Morrows nicht. Als Kleinfarmer und Eisenbahnangestellter konnte er sich Arbeitskräfte nicht leisten. Mit Edmund Mitchell war er deshalb so gut bekannt, weil die Charleston & Savannah Railroad den größten Teil der Baumwolle transportierte, die Mitchell exportierte. Zudem war Morrows außer seinem Job als Wachmann auch für die Baumwolltransporte als Disponent zuständig. Da er über gute Manieren verfügte – oder wenigstens eine Art an sich hatte, die manche Südstaatler für solche hielten – hatte Mitchell ihn häufig zu solchen Festlichkeiten eingeladen. Dass Morrows als Nichtsklavenbesitzer anderen Nichtsklavenhaltern die Sklaverei schmackhaft machen wollte, empfahl ihn zusätzlich.
Edmund Mitchell hatte alles aufgeboten, was notwendig war, um ein Austernrösten zum unvergesslichen Erlebnis zu machen. Washingtons Geburtstag, seit den Kindertagen der Vereinigten Staaten ein besonderer Festtag, wurde auf Cotton Belle im Morgengrauen mit drei Salutschüssen aus alten, spanischen Salutkanonen eröffnet. Das war gleichzeitig für das Küchen- und Bedienungspersonal das Zeichen, mit Wagen und Karren die benötigten Zutaten aus allen möglichen Teilen der Plantage zusammen zu holen. Das Festmahl sollte auf dem gepflegten, englischen Rasen vor dem Herrenhaus stattfinden. Der Platz wurde von uralten Eichen gesäumt, zwischen denen das für die amerikanischen Südstaaten so typische spanische Moos wie eigens für das Fest aufgehängte Girlanden hing.
Einige Feldsklaven gruben am Rand der Rasenfläche Löcher und stellten in zwei parallelen Reihen Öfen auf, wobei die Ofenreihen ungefähr zweihundert Yards auseinander lagen. Zwischen den Ofenreihen stellten Zimmerleute – ebenfalls Sklaven – lange Tische aus Zypressenholz auf. Die Dienstmädchen deckten diese Tische unter Aufsicht des schwarzen Butlers Henry mit kostbarem, feinem Leinenzeug, das bereits seit fünfzig und mehr Jahren auf Cotton Belle von Generation zu Generation weitervererbt wurde. Auf die strahlend weißen Leinentücher wurde wertvolles Porzellan, altes Tafelsilber und kostbares Kristall gedeckt.
Gegen zwölf Uhr inspizierte Edmund Mitchell zusammen mit seiner Frau Edwina die gedeckten Tische, um sich zu vergewissern, dass der Butler und seine Hilfskräfte den Anordnungen des Hausherrn gefolgt waren. Nachdem das Ehepaar Mitchell die Tischdekoration zur Zufriedenheit des Butlers abgenommen hatte, verpackten die Dienstmädchen Gläser, Geschirr, Tafelsilber und Damast in bereitstehende, große Weidenkörbe und legten statt dessen auf die nun blanken Holztische vor jeden der gut hundert Plätze eine kleine Leinendecke, auf die sie je eine hölzerne Austernschüssel und ein großes Glas stellten. Daneben kam ein Austernmesser zu liegen. Zusätzlich befestigten die Zimmerleute für jeden Gast eine Armstütze am Tisch.
Die Gehilfen des Kochs setzten die Holzkohlen in den Öfen in Brand, deren Rauch bald über die Kronen der mächtigen Eichen zog und den Eindruck eines Großbarbecues verbreitete. Edmund Mitchell hatte den Beginn des Essens auf ein Uhr mittags angesetzt. Die Gäste erschienen auch alle vor dieser Zeit, weil bekannt war, dass Pünktlichkeit eine Voraussetzung für eine gut geröstete Auster war.
Edmund Mitchell war in seiner Jugend Kavallerieoffizier gewesen und hatte während seiner Ausbildung auch Trompetensignale gelernt. Schlag ein Uhr blies er auf der Treppe des Herrenhauses das Kavalleriesignal Attacke, worauf die Sklaven an den Öfen die Austern aus Tonnen auf die glühenden Kohlen schütteten. Die Gäste setzten sich und der Butler ließ durch seine Hilfskräfte heiße Getränke verteilen: Whiskypunsch für die Herren und Eierpunsch mit Muskatnuss und einem Schuss karibischem Rum für die Damen. Die Gäste – unter ihnen auch Yancey Morrows, seine Schwester Pamela und deren neuer Bekannter Philip Bennett – sahen den Hausherrn erwartungsvoll an. Es schickte sich nicht, von den gereichten Getränken zu probieren, bevor nicht der Gastgeber selbst sein Glas erhob. Mitchell wartete, bis seine Gäste saßen und jeder ein Glas Punsch vor sich hatte. Dann erhob er seines und sagte:
„Ein herzliches Willkommen unseren Freunden, Nachbarn und Neubürgern des Staates Georgia auf Cotton Belle. Lassen Sie uns auf die Freiheit unserer Nation trinken, meine Freunde.“
Die Gäste stießen miteinander an, prosteten sich zu und nahmen den ersten Schluck ihres Punsches. Die Sklaven an den Feuern brachten nun die ersten Platten mit noch vor Hitze zischenden Austern herbei und bedienten die Gäste. Jeder Sklave hatte dabei jeweils zwei Gäste zu betreuen, was hieß, dass er stets dafür zu sorgen hatte, dass seine Gäste immer eine frische, prasselnde Auster vor sich hatten. Die Austern mussten immer einzeln serviert werden, da sie vom Feuer sofort in den Mund kommen mussten. Nur dann waren sie noch saftig.
Morrows unterwies den Yankee Bennett im Umgang mit dem Austernmesser. Philip hatte noch nie Austern gegessen, geschweige denn ein Austernmesser in der Hand gehabt. Aber er war gelehrig und konnte nach der dritten Auster mit dem fremden Gegenstand umgehen.
Das Essen dauerte etwa eine Stunde, dann gab einer der männlichen Gäste in der Nähe des Gastgebers ein Zeichen, und die Herren stiegen über die starren Bänke, um sich zurückzuziehen. Für den Gastgeber selbst wäre es unfein gewesen, das Essen zu beenden. Philip fühlte sich von Yancey am Ärmel gezogen, als er Pamela helfen wollte, die Bank zu überklettern.
„Halt! Sie lösen einen Skandal aus, Mr. Bennett, wenn Sie sich nicht augenblicklich abwenden“, warnte Morrows leise.
„Warum? Ist man hier nicht ritterlich zu den Damen?“, fragte Philip ebenso leise, aber völlig verblüfft.
„Selbstverständlich ist man ritterlich zu den Damen, Mr. Bennett. Aber die Ritterlichkeit besteht darin, dass die Herren sich von den Damen abwenden, um auch nicht den Schatten eines Strumpfes über den Schuhen zu entdecken. Es ist schwierig, mit diesen unpraktischen Krinolinen über so eine scheußlich steife Bank zu klettern, aber es wäre absolut unmöglich, wenn Sie meiner Schwester helfen würden und dabei noch ihren Strumpf entdecken“, erklärte Morrows. Philip seufzte.
„Das spanische Hofzeremoniell ist dagegen Ringelreihen“, murmelte er. Er musste sich zwingen, sich nicht umzudrehen. Doch als er einen Stolperschritt und einen erschrockenen Aufschrei hörte, hielt ihn nichts mehr. Philip drehte sich um und konnte Pamela Morrows gerade noch stützen, die sich mit der auch für sie ungewohnten Krinoline verhakt hatte und ins Straucheln gekommen war.
„Vielen Dank Mr. Bennett. Beinahe hätte ich mir das Kleid zerrissen“, bedankte sie sich. Philip lächelte.
„Ich fürchte, sie hätten sich noch erheblich mehr getan, Miss Morrows“, erwiderte er. Er half ihr auf und erlaubte sich die Freiheit eines Handkusses.
„Yancey?“, wandte sie sich an ihren Bruder.
„Ja?“
Morrows drehte sich jetzt erst um.
„Yancey, würdest du erlauben, dass Mr. Bennett für heute mein Begleiter ist?“
Morrows seufzte.
„Pam, wir sind hier nicht in Kentucky. Hier sind Manieren angebracht. Ich will keinen Skandal – und Mr. Bennett auch nicht. Du weißt doch, was es bedeutet, wenn eine Südstaatlerin ohne Begleitung eines Familienmitgliedes mit einem ihr offiziell fremden Mann zusammen ist. So gern ich es tun würde, ich kann es nicht erlauben.“
„Yancey, die Frauen hier sind mir wesentlich unbekannter als Mr. Bennett, den ich wenigstens einige Tage kenne“, widersprach Pamela.
„Du kannst dich bei mir einhaken, wenn du möchtest“, bot ihr Bruder an. Beinahe widerwillig tat sie es.
Der Gastgeber, Edmund Mitchell, kam auf sie zu, und begrüßte Yancey mit einem herzlichen Handschlag.
„Ich hatte leider noch keine Gelegenheit, mit Ihnen persönlich zu sprechen, Mr. Morrows. Wie geht es Ihnen?“
„Danke der Nachfrage, Mr. Mitchell. Ich kann nicht klagen, meine Arbeit bei der Bahn nimmt mich zwar in Anspruch, aber schließlich will ich mich auch nicht langweilen. Darf ich Ihnen meine Schwester Pamela vorstellen?“
„Ich bin entzückt, Miss Morrows“, erwiderte der Plantagenbesitzer und hauchte einen formvollendeten Handkuss auf Pamelas schmale Hand.
„Und dies ist Mr. Philip Bennett, der auf der Durchreise nach England ist und sich dabei die Schönheiten des Südens nicht entgehen lassen wollte“, stellte Morrows auch Philip vor. Mitchell reichte ihm die Hand.
„Willkommen, Mr. Bennett. Sie sind aus Virginia?“
„Ja.“
„Darf ich fragen, weshalb Sie von hier aus nach England reisen wollen? Von Norfolk wäre das doch auch möglich.“
„Sagen wir, ich habe Probleme mit den Behörden in meinem Heimatstaat, weil ich nicht so lange bei der Armee geblieben bin, wie die Army sich das vorgestellt hat. Ich habe vor, Rechtswissenschaften zu studieren und denke, dass ich das besser außerhalb der USA oder der konföderierten Staaten tue.“
„Oh, die Konföderation kann Ihnen eine Reihe ausgezeichneter Universitäten bieten. Mr. Bennett. Und bis hierher reicht der Arm des Yankee-Gesetzes nun einmal nicht mehr“, entgegnete Mitchell.
„Mr. Mitchell, ich bin weit davon entfernt, Ihren Enthusiasmus hinsichtlich des Bestandes der konföderierten Staaten von Amerika zu dämpfen, aber ich gestehe, dass ich meine Zweifel habe, ob die Konföderation tatsächlich bestehen bleibt“, sagte Philip ruhig. Mitchell war kein Hitzkopf. Auch er neigte dazu, eine Angelegenheit in Ruhe zu besprechen.
„Was bringt Sie zu dieser Meinung, Mr. Bennett?“
„Sehen Sie, die Industrie konzentriert sich fast vollständig im Norden. Bis auf einige Werften in Virginia findet der Schiffbau im Norden statt. Der Süden hat wohl Sägemühlen, Baumwollkämmereien, Textilindustrie allgemein – aber keine Waffenproduktion. Der Norden wird wirtschaftliches Potential wie die Südstaaten nicht einfach davongehen lassen, denn Baumwolle ist bares Geld. Sie können sich denken, dass der Norden irgendwann versuchen wird, die Südstaaten in die Union zurück zu zwingen. Bei der Übermacht von Menschen und Material bin ich nicht sicher, dass der Süden einen Krieg gegen den Norden tatsächlich gewinnen kann. Davon abgesehen: Wenn sich Virginia der Konföderation anschließt, bin ich auch in South Carolina nicht mehr sicher“, gab Philip zu bedenken.
„Ich sehe es etwas anders, Mr. Bennett. Zum einen haben wir mit Jefferson Davis einen Präsidenten, der einmal Kriegsminister war und der selbst Soldat gewesen ist. Er versteht also etwas von Kriegführung. Zum anderen sind wir hier fest davon überzeugt, dass England und Frankreich zu unseren Gunsten eingreifen würden, da beide sich den Ausfall der Baumwolle aus dem Cotton-Belt hier in den Südstaaten nicht leisten können. England und Frankreich und die Südstaaten, das sind Gegner, mit denen der Yankeenorden nicht fertig werden kann, Mr. Bennett“, versetzte Mitchell.
„Gut, nehmen wir einmal an, der Süden gewinnt tatsächlich den – nennen wir’s mal Unabhängigkeitskrieg – gegen die Yankees. Dann wäre mein Hals damit noch nicht aus der Schlinge. In den Südstaaten, die sich der Konföderation noch nicht angeschlossen haben, besteht ein Haftbefehl gegen mich wegen Fahnenflucht“, erwiderte Philip. Mitchell klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
„Da lassen Sie sich keine grauen Haare wachsen, junger Mann“, sagte er jovial. „Ich habe eine Menge Einfluss im Konvent, bin mit dem Gouverneur persönlich befreundet. Das können wir regeln.“
„Mr. Mitchell, Sie sind sehr freundlich, aber ich möchte nicht, dass meinetwegen jemand in Schwierigkeiten gerät. Jeder, der in meiner Familie etwas ausgefressen hat, hat immer für sich selber eingestanden und die Suppe selbst ausgelöffelt. Deshalb möchte ich Amerika vorerst verlassen“, wehrte Philip ab. Mitchell schüttelte den Kopf und zog ihn vorsichtig aber bestimmt in eine ruhige Ecke der Plantage. Dort sah er sich vorsichtig um.
„Hier können wir offen reden, Mr. Bennett. Hat Ihre Fahnenflucht etwas mit Ihrem Wunsch nach dem Jurastudium zu tun?“, fragte Mitchell. Philip überlegte einen Moment. Dann nickte er. Mitchell sah ihn durchdringend an.
„War vielleicht Ihr Vater Ihr letzter Kommandeur?“
Philip stutzte. Kannte der etwa seinen Vater? Katastrophe!
„Was, wenn dem so wäre?“, erkundigte er sich. Mitchell lächelte breit.
„Wissen Sie, ich war als junger Mann selbst Kavallerist und ich habe mit einem Mann zusammen gedient, der nichts mehr hasste, als Indianer und Rechtsanwälte. Das mit den Indianern kann ich noch verstehen, nachdem er zweimal verheiratet war und er beide Frauen jeweils bei einem Indianerangriff verloren hat. Das mit den Rechtsanwälten habe ich nie ganz verstanden. Auf jeden Fall haben Sie viel Ähnlichkeit mit diesem Mann, der in seiner Tapferkeit gewiss wert wäre, ein Südstaatler zu sein. Wenn Ihr Name Bennett ist, dürfte Ihr Vater Frederick Jefferson Bennett sein.“
Philip schwieg. Röte stieg ihm ins Gesicht. Er war ertappt.
„Seien Sie unbesorgt, Mr. Bennett. Ich werde nicht verraten, dass Sie nicht aus dem Süden sind. Aber eingedenk meiner alten Freundschaft zu Ihrem Vater wäre es unbillig, dass ich Sie in die Fremde ziehen lasse, wenn Sie hier in Georgia oder in Virginia genauso gut studieren können. Doch so sehr ich meinen Freund Frederick schätze, so sehr möchte ich ihm eins auswischen, weil er mir beim Pokern einmal fast tausend Dollar abgeknöpft hat. Und wenn ich es damit tue, dass ich seinem Sohn zu einem Beruf verhelfe, den sein Vater wie sonst nichts auf dieser Welt hasst.“
Philip sah in die untergehende Sonne und traf seine Entscheidung. Es war riskant, wenn er sich für den Süden entschied, aber nach England zu gehen hatte ihm nicht recht behagt, wie er sich jetzt eingestand.
„Gut, Mr. Mitchell. Es wäre wohl feige, den Schwanz einzuziehen und davonzulaufen. Ich danke für Ihr Angebot und nehme es an.“
„Sie bleiben zunächst bei mir auf der Plantage. Dabei können Sie sich auch gern davon überzeugen, dass es meinen Schwarzen wirklich gut geht. Denn deshalb sind Sie doch eigentlich gekommen, oder nicht?“
Philip musste lachen. Er war Tausende von Meilen gereist und wen traf er? Einen ehemaligen Kameraden seines Vaters! Wenn der das wüsste …
Gegen drei Uhr kamen die Gäste von ihren kleinen Ausflügen auf der Plantage oder vom Mittagsschlaf aus den Schlafzimmern des Herrenhauses zurück, um sich wieder zu Tisch zu setzen. Jetzt erstrahlten die langen Tische in weißem Leinen, glitzerndem Kristall, kostbarem Porzellan und teurem Tafelsilber. Als die Küchenbediensteten als Vorspeise einen Hummer in Aspik servierten und später Backfisch mit Bordeauxsauce auftrugen, schien es unpassend, dieses Fest Austernrösten zu nennen. Nach einer weiteren Zwischenmahlzeit in Form von Schildkrötensuppe wurden noch Wildpasteten mit Palmblattherzenpüree und Süßkartoffeln gereicht. Hauchdünne, kleine, knusprige Kekse ergänzten das festliche Mahl. Dazu wurde den Herren Madeirawein angeboten, den Damen Likör oder der leichtere Bordeauxwein.
In der milden Wintersonne, die das Fest beschien, begann Philip, sich im Süden wohl zu fühlen.
[1] Die Beschreibung des Austernröstens ist – mit anderen Namen und Orten – weitgehend übernommen aus „Der Amerikanische Bürgerkrieg in Augenzeugenberichten“, S. 30 -33, dtv 1973; dort zitiert aus Richard Barry „Mr. Rutledge of South Carolina“, New York 1942.
Ende
Glossar
In dem vorliegenden Roman finden sich zahlreiche Begriffe, die vielleicht nicht jedem geläufig sind. Deshalb stelle ich hier ein Glossar zur Verfügung, das meinen Lesern helfen soll, mit diesen Begriffen zurecht zu kommen.
Abolitionist: Anhänger des Abolitionismus (engl: abolition: Abschaffung, Aufhebung), Gegner der Sklaverei.
Adjutant: Unmittelbarer Helfer eines höheren Offiziers, der anfallende Verwaltungstätigkeiten für den Vorgesetzten ausführt, häufig ein Leutnant.
Artillery: Artillerie, Einheiten, die mit Kanonen bewaffnet sind.
Bajonett: Dolchartige Waffe, die in einem Spezialverschluss (Bajonettverschluss!) auf die Mündung eines Gewehrs aufgesteckt werden kann.
Bataillon: Taktische Einheit bei allen Truppengattungen, Umfasst in der Regel 4 Kompanien/Batterien/Schwadronen.
Batterie: Taktische Einheit bei Artillerie, 5 – 6 Kanonen und ca. 50 Mann, unter dem Befehl eines Captains.
Bluebelly, (Mz.) –ies: Blaubauch, spöttische Bezeichnung für Unionssoldaten, bezieht sich auf hauptsächlich dunkelblaue Farbe der Uniformröcke.
Brigade: Taktische Einheit, umfasst 3 – 4 Regimenter
Brigadier-General: Brigadegeneral
Captain: Hauptmann
Cavalry: Kavallerie, Reiterei
Colonel: Oberst
Corporal: Obergefreiter
Division: Taktische Einheit, umfasst 3 – 4 Brigaden
Dixie:
a: Sammelbegriff für alle südlich der Mason-Dixon-Linie gelegenen Staaten.
b: Bezeichnung für die Südstaatler allgemein, entsprechend dem Yankee (s. dort)
Dragoons: Dragoner, besondere Art Kavallerie, in den USA mit Erlass vom 3.August 1861 zu Cavalry (s. dort) geworden.
Engineers: Pioniere; Einheiten, die für Brücken- und Festungsbau, Herstellung von Feldschanzen und Schützengräben sowie die Zerstörung eben dieser Anlagen beim Feind zuständig sind, wenn hierfür Spezialisten benötigt werden.
Feldmütze: französische Mütze, mit weichem, nach oben leicht konisch zulaufendem Mützenbeutel, der vom Deckel, dem sog. Mützenschild, oben abgeschlossen wird. Der Mützenschild wird meist nach vorn heruntergezogen, oft ist (bei den Nordstaatlern) das Truppenabzeichen oder Korpsabzeichen auf dem Deckel angebracht. Typische Kopfbedeckung der Soldaten des Bürgerkrieges.
First-Lieutenant: Oberleutnant
First-Sergeant: Oberfeldwebel
Fort: Festung; im Westen der USA aus Holz (wird als typisch unterstellt, trifft aber nicht immer zu!) oder Grassoden (in den baumlosen Ebenen der Great Plains), im Osten meist aus Stein. Im Westen meist rechteckig, im Osten eher polygonal (Fort Sumter im Hafen von Charleston ist fünfeckig, Fort Donelson in Tennessee hat keine symmetrische Form.)
Grayback: Graurücken; spöttische Bezeichnung für Soldaten der Konföderation, bezieht sich auf die vorschriftsmäßige Grundfarbe der Uniform. Entspricht dem Bluebelly (s. dort)
Gunner: Kanonier, einfacher Soldat in der Artillerie.
Hardeehut: Vorschriftsmäßiger Hut mit ovalem, ungeknicktem Kopfteil, der zur Uniform der Union gehört. Nach Vorschrift gehört bei Offizieren der rechte, bei Unteroffizieren und Mannschaften der linke Teil des Randes aufgebogen und mit einer verzierten Spange festgesteckt.
Hornist: Trompeter bei der Kavallerie.
Hutkordel: bei beiden Armeen gebräuchliche Verzierung der Hüte. Für Unteroffiziere und Mannschaften in Truppenfarbe, für Offiziere bis ein-schließlich Captain gold und schwarz gedreht, bis einschließlich Colonel gold und schwarz geflochten, für Generale gold, jeweils mit goldfarbenen Eicheln abgeschlossen
Infantry: Infanterie, Fußsoldaten
Jay-Hawker: Partisanen der Südstaaten. Spielen im Text eine ausgesprochen negative Rolle.
Kanonenrohre, gekreuzte: Truppenabzeichen der Unionsartillerie, gelegentlich auch bei Konföderierten zu finden.
Kompanie: Taktische Einheit bei Infanterie und Marineinfanterie, meist 100 Mann.
Konföderation: Sammelbegriff für die in Sezession befindlichen Südstaaten. Bis Februar 1861: South Carolina, Texas, Louisiana, Mississippi, Alabama, Georgia, Florida. Nach Kriegsausbruch folgten noch: Arkansas, Tennessee, North Carolina und Virginia. Hauptstadt war zunächst Montgomery in Alabama, später Richmond in Virginia.
Korps: Taktische Einheit, umfasst 3 – 4 Divisionen
Kriegsfahne, -flagge (der Südstaaten): Roter Grund, überdeckt von einem blauen, weißgeränderten Andreaskreuz, das mit dreizehn weißen Sternen belegt ist. Die 13 Sterne sollen die elf tatsächlich in Sezession befindlichen Staaten und die Sklavenhalterstaaten Kentucky und Missouri (verblieben bei der Union, hatten aber auch sezessionistische Regierungen, die sich jedoch nicht durchsetzen konnten) symbolisieren.
Zum Sprachgebrauch Fahne oder Flagge siehe Nationalfahne.
Lieutenant: Leutnant
Lieutenant-Colonel: Oberstleutnant
Lieutenant-General: Generalleutnant
Major-General: Generalmajor
Mason-Dixon-Linie: Trennungslinie zwischen sklavenhaltenden und nichtsklavenhaltenden Staaten, 1820 als nördliche Grenze der Sklavenhaltung vereinbart, verläuft auf 36° 30′ nördlicher Breite. Benannt nach den Ingenieuren, die die Linie vermaßen. In Anlehnung an diese Bezeichnung entstand Dixie als Sammelbegriff für sämtliche Sklavenhalterstaaten und als Bezeichnung für die Menschen, die dort lebten.
Medical Service: Sanitätsdienst
Mounted Rifles: Wörtlich: berittene Schützen, im Grunde berittene Infanterie. Im Rahmen des Erlasses vom 3. August 1861 zu Cavalry geworden.
Nationalfahne, -flagge: In jedem Regiment außer der Regimentsfahne mitgeführte Fahne. Als Fahne wird ein Tuch bezeichnet, das an einem transportablen Fahnenstock fest montiert wird; im Gegensatz dazu bezeichnet die Flagge ein Fahnentuch, das an einem feststehenden Mast gehisst (aufgezogen) und gestrichen (niedergeholt) werden kann.
a: Union:
Stars and Stripes: Oberecke blau mit 33 weißen Sternen (1861: 34 Sterne, 1863: 35 Sterne, 1864 36 Sterne), 13 gleichbreite Querstreifen, 7 rot, 6 weiß. Da die Fahne nicht sofort nach Aufnahme neuer Staaten ersetzt wurde, waren alle vier Versionen bis zum April 1865 in Gebrauch.
b: Konföderation:
- Nationalfahne: Stars and Bars : Blaue Oberecke mit 7 kreisförmig angeordneten weißen Sternen, die die Gründerstaaten der Konföderation symbolisieren.
- Nationalfahne (ab 1863): Oberecke Kriegsfahne der Südstaaten (s. dort) sonst weiß.
- Nationalfahne (theoretisch ab 1865, aber vermutlich nicht mehr in Benutzung gewesen): wie 2. Nationalfahne, aber mit einem roten Längsstreifen an der Flugseite. Die Neufassung war notwendig geworden, um eine Verwechslung mit der Kapitulation signalisierenden weißen Fahne auszuschließen. Bei Windstille war die Oberecke der 2. Nationalfahne nicht sichtbar und erschien deshalb völlig weiß.
Ordnance-Sergeant: Geräteunteroffizier, auch für Bewaffnung zuständig.
Ordonnanz: Bezeichnung für Soldaten, die besondere dienstliche Tätigkeiten verrichten (Kasino-, Küchen-, Gefechtsordonnanz, Ordonnanz-Offizier), auch für den Befehlsüberbringer gebraucht.
Private: Schütze, Grenadier, einfacher Soldat in der Infanterie.
Provost Department: Militärgerichtsbarkeit der US-Army
Quartermaster-Sergeant: Quartiermeister im Rang eines Sergeants, zuständig für eine Kompanie/Schwadron/Batterie.
Regiment: Taktische Einheit bei allen Truppengattungen, rd. 1000 Mann
Regimental Quartermaster-Sergeant: Quartiermeister im Rang eines Sergeants, zuständig für ein Regiment.
Säbel, gekreuzte: Truppenabzeichen der Unionskavallerie, gelegentlich auch bei Konföderierten zu finden.
Schwadron: Taktische Einheit bei der Kavallerie, meist 100 Mann unter dem Befehl eines Captains
Schwesternkorps: Im Laufe des Krieges gebildete Krankenschwesterneinheit
Second-Lieutenant: Leutnant
Sergeant: Feldwebel
Sergeant-Major: Hauptfeldwebel
Sharpshooters: Scharfschützen, Jäger; Spezialeinheiten (im Wesentlichen bei der Union), die oft als Einzelkämpfer agieren
Signalhorn:
a: Abzeichen: Truppenabzeichen der Unionsinfanterie, später durch die Korpsabzeichen abgelöst. Das Horn ist auch bei manchen Konföderierten in Gebrauch.
b: Trompete ohne Ventile, Musikinstrument des Hornisten.
Trooper: Reiter, einfacher Soldat in der Kavallerie
Union: Sammelbegriff für die Nordstaaten, umfasst z.Zt. des Sezessionskrieges die Staaten Minnesota, Wisconsin, Michigan, Iowa, Illinois, Indiana, Ohio, Pennsylvania, New York, Vermont, New Hampshire, Maine, Massachusetts, Rhode Island, Connecticut, New Jersey, Delaware, Maryland, Kansas, Oregon, Missouri, Kentucky, West Virginia (ab 1863), Nevada (ab 1864) und California.
Virginia Military Institute: Militärakademie in Virginia, ähnlich elitär wie West Point.
West Point: Militärakademie im Staat New York, elitäre Offiziersschule, die viele bedeutende Persönlichkeiten im öffentlichen Leben der USA hervorgebracht hat.
Yankee: Ursprünglich spöttische Bezeichnung für die in New York lebenden Holländer (Jan Kees = Hans Käse), später von den Südstaatlern auf alle Bewohner der Nordstaaten bezogener, nicht immer ehrenvoller Sammelbegriff. Aber es kommt drauf an …
Zug: Bedeutungen außerhalb der Eisenbahn:
militärisch: Taktische Einheit, Teil einer Kompanie, befehligt von einem Leutnant oder Oberleutnant (jedenfalls im Sezessionskrieg!)
technisch: Im Lauf einer Waffe eingeschliffene Riefen, die spiralförmig um die Innenwand laufen. Züge dienen dazu, der abgeschossenen Kugel einen Drall zu geben, der die Flugbahn des Geschosses stabilisiert.
Ende der Leseprobe
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Allerdings verwende ich auch in den Büchern zu Filmen lediglich ein Coverbild. Das hat zwei Gründe: 1. unterliegen die Bilder eines Films – auch wenn ich Screenshots von der jeweiligen DVD verwende – dem Urheberrecht. Mit dem möchte ich nicht unbedingt kollidieren. 2. kosten Bilder eine Menge Speicherplatz. Da ich nur einen begrenzten Webspace habe, gehe ich damit eher sparsam um.
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