
Das Königreich Wilzarien ist das südlichste und jüngste Land der Verborgenen Lande. Die Besiedelung erfolgte erst rund zweihundert Jahre nach den drei anderen Hohen Landen. Der Umstand, dass die Hohen Lande zu den Verborgenen Landen werden, ist einem Mitbringsel der Wilzaren zu verdanken.
Geschichte
Frühe Geschichte
Wilzarien wurde im Vergleich zu den anderen drei Staaten der Verborgenen Lande eher spät besiedelt. Der Grund dafür liegt in der Spaltung des Volkes der Wangionen, denn die Menschen in den Verborgenen Landen haben gemeinsame Vorfahren, die Wangionen. Dieser indogermanische Stamm wird um 400 n. Chr. in seinem ursprünglichen Siedlungsgebiet südlich des Urals von Hunnen attackiert und macht sich im Zuge der dadurch ausgelösten Völkerwanderung auf den Weg nach Westen. Sie finden zunächst neues Siedlungsgebiet als Nachbarn der Burgunder an der Weichsel. Als die Hunnen auch dorthin kommen, ziehen Burgunder und Wangionen gemeinsam weiter nach Westen und erreichen die Grenze des Römischen Reiches.
Als Verbündete gegen die Hunnen sind sie dort willkommen und kämpfen gemeinsam mit Römern gegen die Hunnen. Die kriegerisch veranlagten Stämme werden von den Römern aber nach der Vernichtung der Hunnen als zu gefährlich betrachtet, um sie an der Grenze zu haben. Die Burgunder nehmen den christlichen Glauben an und werden in das heutige Burgund umgesiedelt. Die Wangionen, die dem alten Glauben an die nordischen Götter treu bleiben wollen, müssen sich von der Grenze zurückziehen und wandern über die Hochfläche südlich des Mains weiter nach Süden. Die aufgegebenen Kastelle am alten Limes bieten für kurze Zeit ein neues Heim, doch die Landwirtschaft in der kargen Alb ist problematisch. Der Stamm bricht erneut auf und gelangt Ende 452 n.Chr. ins Allgäu.
Häuptling Wangidonar, Vater der Zwillingssöhne Wengor und Wilzar, will Verhandlungen um Siedlungserlaubnis aufnehmen und sendet einen Boten nach Cambodunum (Kempten). Der verängstigte Legat der dortigen Truppen geht zum Schein darauf ein und lädt den Häuptling und einige seiner Stammesältesten in das Kastell ein. Die Wangionen werden umgehend festgesetzt.
Die Gefangenen können zwar befreit werden, doch der Häuptling wird von einem Pfeil tödlich getroffen. Weil er seine Nachfolge noch nicht geregelt hat, setzen die Stammesältesten einen Zweikampf der Zwillingsbrüder an. Der Kampf geht unentschieden aus. Als das Volk sich ebenfalls nicht für den einen oder anderen Kandidaten entscheiden kann, spaltet sich der Stamm. Ein Teil unter Wengor will am Rand der Alb bleiben, Wilzar zieht mit seinen Anhängern an der Hilaria (Iller) entlang weiter zur Donau und kehrt nicht mehr zurück.
Ihr Weg führt die Wangionen Wilzars bis nach Pannonien, dem heutigen Ungarn. Der Versuch, sich den nach Westen wandernden Goten anzuschließen, scheitert an der Verweigerung des christlichen Glaubens . Wilzor fällt im Kampf gegen Odoaker, der Stamm muss sich von den Goten zurückziehen.
Nach dem Tod Wilzars nennen sich die Angehörigen seines Stammesteils Wilzaren und werden von den Goten so weit nach Osten zurückgedrängt, dass sie um das Jahr 500 beinahe wieder dorthin gelangen, wo ihre Vorfahren etwa hundert Jahre zuvor von den Hunnen vertrieben wurden, die zwischenzeitlich wieder verschwunden sind. Mehrere Missernten nacheinander machen den Wilzaren klar, dass ihr Siedlungsland praktisch unfruchtbar ist. Sie verlassen die Steppe am südlichen Rand des Urals erneut und wandern nach Südeuropa zurück.
In den südlichen Alpen stoßen sie auf eine fruchtbare Landschaft, die von einigen wenigen überlebenden Nachfahren der von den Byzantinern vertriebenen Goten bewohnt wird. Einer der gotischen Weisen verrät das Geheimnis ihres Überlebens: Am Latemar-Massiv gibt es blaue Steine, die es dem Felsenfürsten ermöglichen, sein Land unsichtbar zu machen, weil das blaue Licht, das diese Steine verstrahlen, jeden verwirrt, der sich ihm aussetzt. Er verliert den Weg und gelangt nicht an ein Ziel, das innerhalb des von diesem Licht geschützten Raumes liegt. Unter der Voraussetzung, dass sie fortziehen und sich woanders eine Heimat suchen, gibt der gotische Weise dem Häuptling genügend blaue Steine mit, um eine ausreichend große Siedlungszone damit praktisch unauffindbar zu machen.
Die Wilzaren ziehen weiter und gelangen im Jahr 600 in ein unbesiedeltes Hochtal knapp südlich des Alpenhauptkammes. Mithilfe der blauen Steine, die auf den Bergen an nur schwer zugänglichen Stellen deponiert werden, wird das Hochtal aus dem Weltgeschehen regelrecht ausgeblendet. In den folgenden zweihundert Jahren genügt den Wilzaren das in neun Jarlschaften aufgeteilte Land, das von einem gewählten Fürsten als Oberhaupt regiert wird. Innerhalb weniger Jahre wird das Land von seinen Bewohnern Wilzarien genannt.
Im Jahr 800 beansprucht Aventar aus dem Geschlecht Wilzars die Jarlschaft Aldaron. Er unterliegt im Kampf gegen seinen Zwillingsbruder Owan und will mit seiner Anhängerschaft das Fürstentum verlassen. Als Anführer obliegt es ihm, selbst nach neuem Siedlungsraum zu suchen, den er jenseits des Gebirges findet, das Wilzarien nach Norden und Westen begrenzt. Er gelangt in ein weiteres Hochtal und kann schon vom Gebirgspass aus erkennen, dass das Land östlich des in nördliche Richtung fließenden Flusses unbesiedelt ist. Der Fluss ist breit und ohne Übergänge zum westlichen Ufer. Aventar erkennt das Land als fruchtbar und führt seine Anhänger in das unbesiedelte Land nördlich des Gebirges. Ihm zu Ehren nennen seine Untertanen das Land und den Fluss Aventur, geben dem Gebirge den Namen Aventurgebirge. Aventar agiert als unabhängiger Fürst und bezeichnet sein Land als Fürstentum Aventur.
Nach seinem Tod im Jahr 840 bricht unter seinen Untertanen Zwist aus, den erst der Fürst von Wilzarien beenden kann. Er setzt mit Sirwan einen Jarl ein, der selbst aus Aventur ist. Die Unabhängigkeitsbestrebungen Aventurs sind damit aber nicht beendet; der nicht überbrückte Fluss verhindert jedoch, dass Sirwan bei den Nachbarn jenseits des Flusses Hilfe erbitten kann. 845 verändert ein gewaltiger Bergsturz die Fließgeschwindigkeit des Flusses Aventur. Weitere zehn Jahre später haben sich genügend Furten gebildet, die eine Überquerung des Aventur möglich machen. Sirwan wendet sich an seinen direkten Nachbarn, den Grafen Persegin von Rothenfels, den er darum bittet, ihm dabei zu helfen, ein unabhängiger Fürst zu werden. Es ist der erste Kontakt zwischen Wengländern und Wilzaren. Persegin macht Sirwan eine entsprechende Zusage, aber um Sirwan als unabhängigen Fürsten anerkennen zu können, müsste Persegin Herzog Wenglands sein. Weil der Graf von Rothenfels nicht damit einverstanden ist, dass Sandragon, der Herzog Wenglands, den christlichen Glauben angenommen hat und sich nun Christian von Sandragon nennt, will er den Herzog stürzen und den alten Glauben wieder einführen. Sirwan sagt ihm dabei Unterstützung zu. Persegin braucht dazu Zeit und entwickelt eine gute Freundschaft zu Sirwan, die dazu führt, dass die Furt, die bei Rothenfels eine Flussquerung möglich macht, mit der ersten Brücke versehen wird, die den Aventur überspannt.
866 gelingt Persegin der Putsch gegen Christian. Sirwan, der sich aktiv an dem Umsturz beteiligt, gehört zu den Wenigen, die im Kampf gegen die Palastwache Christians fallen. Mit Sirwans Tod sieht Persegin den Pakt als hinfällig an. Sirwans Sohn Wandor fordert die Einhaltung des Versprechens und wird von Persegin, der sich nun Reginald von Wengland nennt, abgewiesen. Er hat den Thron nur gegen die Zusage anderer Grafen Wenglands bekommen können, am christlichen Glauben festzuhalten und sich nicht mit Heiden einzulassen. Wandor sieht dies als Verrat an und greift Rothenfels an. Der Angriff des unerfahrenen Wandor ist erfolglos und führt zu den ersten Spannungen zwischen Wilzaren und Wengländern.
Als sich 886 in Wengland die Legende vom Geisterreiter verbreitet, will Wandor sich dies zunutze machen, doch auch diesmal können seine Krieger gegen Reginalds Truppen nicht bestehen. Wandor kommt bei den Kämpfen ums Leben, hat aber keinen Erben. Fürst Dragor von Wilzarien übernimmt selbst die Herrschaft über das widerspenstige Aventur und lässt jeden hinrichten, der sich einer wilzarischen Oberherrschaft widersetzt.
Der Regierungswechsel in Wengland von Reginald zu Philipp von Steinburg 887 bringt den ersten Kontakt zwischen dem wilzarischen und dem wenglischen Herrscherhaus. Philipp bittet Fürst Dragor von Wilzarien, dass er ihn wie der Herzog von Scharfenburg und der Fürst von Breitenstein als König von Wengland anerkennt. Dragor verlangt im Gegenzug, als König von Wilzarien anerkannt zu werden. Philipp geht darauf ein und kann auch Matthias von Scharfenburg und Dominik von Breitenstein dafür gewinnen, Dragor als König von Wilzarien anzuerkennen.
Dragor wird zwar von seinen Nachbarn als König anerkannt, doch weil er den Jarlen (die rangmäßig den Grafen Wenglands gleichstehen) keinesfalls die Erhöhung zu Fürsten gewähren will, verweigern sie ihm die Krönung zum König. Es kommt zum Bürgerkrieg, der in über hundert Jahren immer wieder aufflammt und die Wilzaren zu dem Kriegervolk macht, das sie für lange Zeit bleiben.
Erst im Jahr 1019, als der wenglische König Otto II. die verfeindeten Parteien zu einer Friedenskonferenz nach Rothenfels einlädt und erfolgreich zwischen den streitenden Parteien vermitteln kann, ist Fürst Havanor bereit, die Jarle zu Fürsten zu erheben, wenn sie ihn als König anerkennen. Die Nachbarn erneuern ihre Anerkennung Wilzariens als Königreich. Zum Dank bietet Havanor an, mit den blauen Steinen, die eigentlich unglaublich große Diamanten sind, die gesamte Region zu tarnen, so dass sie von der Grenze bei Liechtenstein nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen überhaupt noch gefunden werden kann. Die Bedenken Breitensteins und Scharfenburgs, die Reichslehen sind, kann Havanor mit Zugangsmöglichkeiten zerstreuen, die jedes Land selbst bestimmen kann. Jedes beteiligte Land erhält einen der Diamanten, die die Hohen Lande von da an aus der realen Welt ausblenden. Durch diese Tarnmöglichkeit werden die Hohen Lande zu den Verborgenen Landen.
Am 20. August 1019 wird Havanor von Wilzarien in Anwesenheit seiner Nachbarherrscher zum ersten König von Wilzarien gekrönt. Nach weiteren Vorbereitungen wird die Tarnung am 28. März 1020 „scharf“ geschaltet. Dieses Datum gilt als Gründungsdatum der Verborgenen Lande.
Hochmittelalter
Trotz der Glaubensunterschiede sind die Beziehungen der Wilzaren zu den christlichen Nachbarn sehr gut. Als Papst Urban II. 1095 die christlichen Ritter zum Kreuzzug ruft, um Jerusalem aus den Händen der muslimischen Eroberer zurückzugewinnen, wird Havanor II., dessen Herrschaft noch nicht ganz gefestigt ist, misstrauisch – besonders, als Meldungen eintreffen, dass in den christlichen Landen Andersgläubige verfolgt werden. Havanor hält die Verhandlungsangebote für den Bau weiterer Brücken über den Aventur für eine List, um so christlichen Heeren die Überquerung des Grenzflusses zu erleichtern, um Wengland mindestens Aventur einzuverleiben oder gleich ganz Wilzarien zu erobern. Er verweigert Verhandlungen, ohne seine Befürchtungen offenzulegen. Wengland und Scharfenburg bleiben über seine Beweggründe im Unklaren.
Über die nächsten hundert Jahre kommt es zu keinen Treffen mit den christlichen Nachbarn. Halvar von Aventur, der die Ängste seiner Könige nicht nachvollziehen kann, erlaubt 1150 die Gründung von Klöstern und nimmt – ohne Kenntnis von König Jovar von Wilzarien – Kontakt zum Heiligen Stuhl auf, um in Aventur ein christliches Bistum errichten zu lassen. 1160 wird das Bistum Wiesenberg errichtet, dessen Bischof der gerade erst zum Priester geweihte Coelestin von Wiesenberg wird.
1189 stirbt König Jovar. Sein Nachfolger wird Havarik von Wilzarien, der junge Adoptivsohn Jovars. Havarik teilt die Befürchtungen seiner Vorgänger und übt stärkere Kontrolle über seine Provinzen einschließlich Aventur aus. Er sieht in den christlichen Klöstern – nicht ganz zu Unrecht – den Versuch der christlichen Missionierung. Havarik verbietet die Ausübung des christlichen Glaubens und stellt Wilzaren christlichen Glaubens vor die Wahl, dem Christentum abzuschwören, in christliches Land auszuwandern oder hingerichtet zu werden. Coelestin von Wiesenberg wendet sich an Albin von Hirschfeld, der die Aufnahme der christlichen Wilzaren zusagt. König Rudolf von Wengland bestätigt das Asylangebot Etwa dreitausend christliche Wilzaren wandern nach Wengland aus und lassen sich hauptsächlich in Hirschfeld und Steinburg nieder. Coelestin wird Weihbischof von Steinburg.
Als Rudolf seinen älteren Sohn Martin zum französischen Kreuzritter Balian von Ibelin zur Erziehung gibt und mit einem großen Kontingent seiner Ritter am Dritten Kreuzzug teilnimmt, hält Havarik von Wilzarien dies für die Vorstufe zum Kreuzzug gegen Wilzarien – zumal unter den Vertriebenen Verwandte des wenglischen Grafen Wedigo von Südwengland sind. Sein Misstrauen scheint sich zu bestätigen, als 1195 Roland von Ibelin nach Hirschfeld immigriert, wo Albin ihm eine neue Heimat bietet.
Havarik will seine christlichen Nachbarn mit sich selbst beschäftigen und nimmt im Jahr 1196 Kontakt zum ebenso ehrgeizigen wie jungen und unerfahrenen Markgrafen Richard von Rebmark auf. Er bietet ihm an, ihn als König von Scharfenburg anzuerkennen, wenn er ihm die Provinz Dunkelfels überlässt, die als einzige Provinz Scharfenburgs südlich des Alvedra liegt und vom Aventurgebirge gegen Wilzarien abgegrenzt ist. Richard ist einverstanden und beginnt, gegen Herzog Ludwig von Scharfenburg zu intrigieren.
Havarik lässt Dunkelfels angreifen. Seine Truppen scheitern aber immer wieder an der zähen Verteidigung durch den Grafen Siegmund von Dunkelfels und dessen Sohn Siegmar, die auch durch Truppen aus Falkenstein unter dem Kommando von Lewin und Eduard von Falkenstein verstärkt werden.
Im Juni 1199 gelingt die Eroberung der Burg Dunkelfels. Siegmund und Siegmar von Dunkelfels und Lewin und Eduard von Falkenstein kommen bei den Kämpfen ums Leben. Dunkelfels wird danach rasch erobert, die Bevölkerung vertrieben oder getötet. Eine weitere Eroberung scharfenburgischen Gebietes nördlich des Alvedra scheitert an der verbissenen Verteidigung, die Herzog Ludwig mit seinen Söhnen Heinrich und Simon organisiert.
Um deren Widerstand zu brechen, setzt Havarik auf ein Bündnis mit Wengland. Er sendet Boten nach Wengland und schlägt ein solches Bündnis vor. König Rudolf von Wengland lehnt es – auch auf den Rat seines inzwischen heimgekehrten Sohnes Martin – ab.
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Fortsetzung folgt
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